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Im Würgegriff somalischer Fanatiker

Von Ines Scholz

Politik

Al-Shabaab-Milizionäre massakrieren im Nachbarland Kenia dutzende nicht-muslimische Arbeiter.


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Nairobi/Wien. Kenia zahlt für sein Militärengagement im Nachbarland Somalia einen hohen Preis. Nur eine Woche, nachdem Mitglieder der somalischen Al-Shabaab-Milizen im Grenzgebiet einen kenianischen Bus überfallen und dabei 28 Nicht-Muslime abgeschlachtet hatten, folgte in der Nacht auf Dienstag ein weiteres Massaker. Die Bluttat geschah nur wenige Kilometer vom Ort des Busangriffs entfernt. Knapp zwei Dutzend Kämpfer der radikal-islamischen Al-Shabaab schlichen sich in den Nachtstunden an einen Steinbruch nahe der Stadt Mandera heran und metzelten die Arbeiter nieder. Mindestens 36 von ihnen starben. Nur wenige Stunden zuvor hatten Bewaffnete in dem etwas weiter südlich liegenden Ort Wajir einen Nachtclub gestürmt und mindestens einen Mann erschossen.

Danach hätten die Angreifer bei Mandera zuerst das Feuer auf die Zelte eröffnet, in denen die Arbeiter schliefen, berichteten Augenzeugen. Anschließend hätten sich alle Nicht-Muslime unter ihnen auf den Boden hinlegen müssen. Sie seien mit Kopfschüssen niedergestreckt, einige enthauptet worden, schilderten ihre Kollegen unter Schock. Die, die überlebt haben, waren vor allem Muslime, denn sie wurden von den Schabaab-Kämpfern verschont, wie schon bei dem Busangriff. Damals hatten alle Insassen Koran-Verse rezitieren müssen, damit die Angreifer Muslime von Christen trennen konnten.

Wenige Stunden nach dem jüngsten Massaker bekannten sich die in Somalia beheimateten Schabaab-Milizen zu ihrer Hinrichtung von "fast 40 kenianischen Kreuzzüglern" und kündigten weitere Angriffe an. Es habe sich um eine Racheaktion gehandelt, weil Kenia muslimische Gebiete besetzt und viele Muslime unter anderem bei Luftangriffen getötet habe, erklärte ihr Sprecher Sheikh Rage in einer Mitteilung. Die Attacke sei Teil einer Serie von Anschlägen, die die Gruppe geplant habe. "Wir werden unser Land und unser Volk auch weiterhin vor den Aggressoren schützen." Dabei werde man auch in Zukunft "unbarmherzig gegen die Ungläubigen" vorgehen.

Abzug aus Somalia gefordert

Hauptforderung der Shabaab-Milizen ist der Abzug kenianischer Truppen aus Somalia. Kenias Präsident Uhuru Kenyastta ließ die Armee im Herbst 2011 in das östliche Nachbarland einmarschieren, damit diese die somalische Regierung beim Kampf gegen die Islamisten unterstützt und deren Rückzugsgebiete bombardiert. Seither wird das Land, das einst als Hoffnungsschimmer des afrikanischen Kontinents galt, immer wieder von Terrorattacken der Al-Shabaab heimgesucht. Vor einem Jahr überfielen die Dschihadisten mit angeblichen Verbindungen zu Al-Kaida das berühmte Einkaufszentrum "West Gate" in Nairobi und töteten 67 Menschen.Im Sommer wurden in der Küstenregion Lamu 65 Menschen von angeblichen Al-Shabaab-Angreifern erschossen. Insgesamt forderten die vergangenen zwei Jahre bereits mehr als 200 Todesopfer.Die Terroranschläge treffen das Land hart: Kenia ist ein beliebtes Touristenziel. Doch die Urlauber bleiben angesichts der zunehmenden Reisewarnungen aus.

Dass es Kenyatta bisher nicht gelungen ist, die Gewaltwelle einzudämmen, brachte ihm zuletzt heftige Kritik ein. Viele Kenianer machen die grassierende Korruption in Regierung und Militär dafür mitverantwortlich. Vor allem Innenminister David Kimaiyowurde Ineffizienz nachgesagt. Stunden nach dem neuerlichen Massaker reagierte der Staatschef am Dienstag auf den wachsenden Unmut und feuerte den Minister. Mit ihm musste auch der Polizeichef David Kimaiyo den Hut nehmen. Der Bevölkerung rief er Durchhalteparolen zu. "Dies ist nicht die Zeit, um sich vom Feind einschüchtern zu lassen", sagte Kenyatta."Es herrscht Krieg und wir müssen diesen Krieg gewinnen." Die Regierung versicherte, alles zu tun, um die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen. Doch das Vertrauen in die Anti-Terror-Politik ist erschüttert. Wegen der wiederholten Angriffe riefen inzwischen mehrere Gewerkschaften ihre Mitglieder auf, die Region unverzüglich zu verlassen.