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Im Zeichen des Schnauzbarts

Von Hermann Schlösser

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Zu den vielen Krankheiten Friedrich Nietzsches gehörte auch eine Überempfindlichkeit der Augen: Er ertrug kein helles Licht. Die Sendung "GeNietzsche", die vorgestern Abend in 3sat ausgestrahlt wurde, machte sich diese Abneigung zu eigen. Das fiktive Interview, das Theo Roos mit Nietzsche führte, kam nahezu ohne Beleuchtung aus. Von den Körpern des Interviewers und des Schauspielers, der in Nietzsches Namen antwortete, waren nur Konturen zu erkennen. Vom Frager stachen die Augen aus dem Dunkel hervor, während die Erscheinung des antwortenden Philosophen auf den berühmten Schnauzbart reduziert war.

Von diesem optischen Witz abgesehen, war das fiktive Interview angelegt, wie man fiktive Interviews eben anlegt: Die Fragen wurde so gestellt, dass ein möglichst schönes Nietzsche-Zitat als Antwort darauf passte. Allerdings wurde das Schema durch ein paar wohl kalkulierte Verständnisschwierigkeiten zwischen Interviewer und Philosophen unterbrochen: So begriff Friedrich Nietzsche einfach nicht, was Theo Roos mit dem Wort "Pop" meinte. Im Gegenzug konnte der heutige Interviewer nichts mit dem schönen Nietzsche-Wort "Halkyonismus" anfangen.

Diese Stellen brachten die Distanz zu Bewusstsein, die uns vom Philosophen des späten 19. Jahrhunderts trennt. Natürlich versucht man bei "runden" Gedenktagen immer, die Aktualität des Geehrten zu erweisen. Doch war es ein Vorzug der Gedenksendung in 3sat, dass sie auch die Grenzen dieser Bemühung aufzeigte.