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Es war der größte Terroranschlag in der Geschichte: Vor drei Jahren, am 11. September 2001, rasten zwei Flugzeuge in die Zwillingstürme des World Trade Centers und brachten das Wahrzeichen im Herzen New Yorks unter einer gigantischen Staubwolke zum Einsturz. 2.992 Menschen starben. Seit damals versucht die US-Regierung, dem Phänomen des inter- | nationalen Terrorismus mit einem beispiellosen Feldzug gegen gewaltbereite Islamisten-Gruppen Herr zu werden. Doch die Terrorattacken und Gewaltaktionen gegen Ausländer nehmen weltweit zu, ebenso wie der Hass auf den Westen.
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US-Präsident George W. Bush hat seine Politik seit 9/11 ganz der Bezwingung des Terrorismus verschrieben. Und auch das außenpolitische Handeln der Europäischen Union und der übrigen US-Verbündeten ist von dem Anti-Terror-Kampf geprägt. Die Effizienz ist mehr als fraglich. Erst gestern riss ein Bombenanschlag auf die australische Botschaft in Jakarta neun Menschen in den Tod. Die Tat trägt die Handschrift der radikalislamischen Jemaah Islamiyah, die auch für den Bali-Anschlag verantwortlich gemacht wird. Auch vor den Toren Europas machte der islamische Terror nicht halt, wie Madrid und Istanbul gezeigt haben. Es scheint so, als wäre der Kampf gegen den Terror nur der Nährboden für weiteren Terror.
Das Vorgehen im Irak führt dies besonders deutlich vor Augen. Dort spülte der im Zeichen des Kampfes gegen den Terror erfolgte Einmarsch der Amerikaner jene Kräfte an die Oberfläche, die genau zu dieser radikalislamischen Bedrohung wurden, die die Bush-Administration zu eliminieren trachtete. Männer wie der radikale Schiitenführer Moktada al Sadr dienen dafür als Beispiel. Darüber hinaus wurde der Irak auch zu einem Anziehungspunkt für Islamisten aus anderen arabischen oder moslemischen Ländern. Diese Gruppen haben sich dem fanatischen Kampf gegen den Westen nicht nur im Irak, sondern auch in allen übrigen Ländern verschrieben, die die US-Politik mittragen. Und sie erhalten in der islamischen Öffentlichkeit immer mehr Zuspruch. Die Wut entlädt sich in brennenden US-Flaggen und anti-westlichen Kundgebungen von Arabien bis zu den Philippinen.
Eine der Hauptursachen für das Erstarken des militanten islamischen Fundamentalismus war die Präsenz der amerikanischen Truppen in der arabischen Welt und der Überzeugung, dass sich der Westen dort auf Kosten der islamischen Welt (Stichwort Öl-Konzerne) bereichert. Angefacht wurde die Wut Osama bin Ladens insbesondere durch die US-Jeeps in seiner ursprünglichen Heimat Saudi-Arabien nach dem ersten Golfkrieg von 1990/91. Der Anschlag vom 11. September 2001, der auf das Konto des Chef des Terrornetzwerkes El Kaida geht, dürfte nicht zuletzt auch eine Antwort darauf gewesen sein.
Paradigmenwechsel
Auf 9/11 folgte ein Paradigmenwechsel in der internationalen Politik. Kaum ein Treffen, kaum eine Handlung oder Aussage eines Politikers ohne Bezugnahme auf den notwendigen Kampf gegen den Terrorismus. Zudem folgten in den meisten Ländern scharfe Anti-Terrorgesetze, die viele Bürgerrechtsgruppen kritisieren, weil sie in ihnen eine Aushöhlung der Demokratie sehen. Auch der Alltag der Menschen hat sich dramatisch geändert, vor allem in den USA und ihren Verbündeten im Irak. Bewachungskameras, strenge Kontrollen bei öffentlichen Veranstaltungen, omnipräsente Sicherheitskräfte wurden zur ganz normalen Szenerie. Selbst in der U-Bahn fährt die Angst mit.
Kerry als Hoffnungsträger?
Die Prämisse der eingeläuteten Anti-Terror-Ära lautet, dass die neue Geißel mit militärischen Mitteln bezwingbar ist. Die zunehmende Blutrünstigkeit und Irrationalität der islam-fundamentalistischen Kräfte lässt dies jedoch bezweifeln. Warnende Stimmen meinen daher, dass der Terror nicht mit Waffen, sondern vielmehr mit einer behutsameren Politik gegenüber der moslemischen Welt einschließlich einer Lösung des Nahost-Konflikts in den Griff zu kriegen ist. Nicht unwesentlich wird dabei die US-Wahl sein. Der Demokrat John Kerry weckt zumindest die Hoffnung, dass er durch ein weniger martialisches außenpolitisches Vorgehen graduell zu einer Entspannung beitragen könnte.