Wien/Budapest - Mit dem irischen "Ja" zum Vertrag von Nizza ist man dem Ziel einer um zehn Mitglieder erweiterten EU ein großes Stück näher gekommen. Was jetzt noch ansteht, ist die heikle Frage der Finanzierung. Hier wollen die 15 Mitglieder der Union beim Europäischen Rat in Brüssel diesen Donnerstag ein entscheidendes Stück vorwärts kommen. Vor allem die Frage der Agrar-Direktzahlungen ist nach wie vor ungelöst. Ungarns Landwirtschaftsvertreter werden angesichts der EU-internen Querelen langsam nervös und befürchten, massiv benachteiligt zu werden.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 22 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Wie wichtig die Klärung der noch offenen Fragen im Bereich EU-Haushalt und Agrarsubventionen ist, machte der dänische Minister- und derzeitige EU-Ratspräsident Anders Fogh Rasmussen diesen Sonntag klar: Er werde das Treffen in Brüssel notfalls auch über die geplanten zwei Tage hinaus verlängern, wenn dies zu einer Einigung notwendig sei, so Rasmussen: "Wir haben nur noch sieben Wochen für den Abschluss der Verhandlungen".
In den zehn EU-Kandidatenländern sieht man dem Brüsseler Treffen ebenfalls mit Spannung entgegen. Kein Wunder, geht es doch vor allem in der Frage der Agrar-Direktsubventionen, die EU-intern heftigst umstritten ist, um nicht unbedeutende Summen. Deutschland verlangt als größter Nettozahler eine Senkung der Direktzahlungen, Frankreich stellt sich dem als größter Profiteur des bestehenden Systems entgegen. Für die Agrarsektoren der Erweiterungsländer sieht ein Plan der EU-Kommission zunächst 25 Prozent an Direktbeihilfen für das Jahr 2004 vor. Ein Satz, der in der Folge sukzessive angehoben werden soll. Angesichts der französischen Widerstände erscheint der Plan derzeit noch als unfinanzierbar.
Das Ansinnen der Kommission stößt bei den EU-Kandidaten auf wenig Gegenliebe. Tibor Szanyi, Staatssekretär im ungarischen Landwirtschaftsministerium, kritisiert gegenüber der "Wiener Zeitung", dass der Brüsseler Plan eine EU der "zwei Klassen" vorsehe. Zugleich wies Szanyi auf die enormen Investitionen hin, die sein Land im Agrarbereich getätigt habe, um "EU-Reife" zu erlangen. Diese Ausgaben seien "zehn Mal so hoch" gewesen, wie die jetzt zu erwartenden EU-Gelder. András Kelemen vom parlamentarischen Ausschuss für europäische Integration meint dazu, dass Ungarn mit den vorgesehenen 25 Prozent an Direktzahlungen nicht wettbewerbsfähig wäre. Lászlo Medgyasszay vom parlamentarischen Landwirtschaftsausschuss formuliert es noch drastischer: Die geplante 25-Prozent-Regelung sei "undemokratisch und diskriminierend".
Für die EU-internen Differenzen über die Direktsubventionen hat Staatssekretär Tibor Szanyi wenig Verständnis: Die Streitigkeiten seien "kleinlich" und würden die fristgerechte Erweiterung 2004 leichtfertig aufs Spiel setzen. Und das zum Nachteil der Europäischen Union, die im Falle einer Erweiterungsverzögerung mit negativen wirtschaftlichen Konsequenzen zu rechnen hätte. Ein Scheitern der Verhandlungen in Brüssel wäre darüber hinaus "politischer Selbstmord". Am Vorabend des Brüsseler Meetings wünscht sich Szanyi von den EU-Staats- und Regierungschefs vor allem eines: "Mehr Courage".