Wechsel im ÖAAB lässt Gerüchteküche in der ÖVP brodeln.
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Wien. Sommer ist eigentlich die Zeit zum Durchatmen, die Füße baumeln lassen - und natürlich die strategischen Weichen für den kommenden Nationalratswahlkampf zu stellen. Nicht so die Volkspartei.
Nach einer Gesamtstrategie für die kommenden Wahlauseinandersetzungen - neben Kärnten, das seinen Wahltermin noch sucht, stehen im Frühjahr die Landtagswahlen in Niederösterreich und Tirol sowie spätestens im Herbst die Nationalratswahlen im Bund an - sucht man bei den Schwarzen vergeblich. Die Aufarbeitung und Bewältigung der Korruptionsaffären scheint alle für die Integration dieser hochkomplexen Partei - zu den neun Landesparteien kommen hier noch sechs Teilorganisationen - zuständigen Kräfte zu binden.
Die logische Konsequenz: Jeder versucht auf eigene Rechnung dem Umfrage- und Stimmungstief davon zu schwimmen. Weshalb am Wochenende Niederösterreichs Landeshauptmann Erwin Pröll die Strategie der Bundespartei punkto Wehrpflicht kurzer Hand über den Haufen geworfen hat und Tirols Günther Platter kürzlich eine Werbeeinschaltung für die SPÖ-Forderung nach der Gesamtschule abgegeben hat. Wenn es hart auf hart geht, ist sich eben auch in einer Partei jeder selbst der Nächste.
Sollte sich Parteiobmann Michael Spindelegger beim nächsten Parteivorstand über dieses unsolidarische Verhalten beschweren, werden ihm die Granden wohl Kontra geben. Immerhin hat Spindelegger die Idee eines Durchgriffsrechts in die Personalautonomie der Länder - geboren als Konsequenz aus dem Kärntner Schlamassel - auch nicht mit den Landesparteien abgesprochen. Die Fürsten sollen dem Vernehmen nach getobt haben.
Mangel an strategischen Vordenkern in der ÖVP
In dieser Situation bleibt Spindelegger nicht viel mehr, als Schadensbegrenzung zu betreiben. Reinhold Lopatka als neuer Staatssekretär im Außenamt hat den handfesten Vorteil, dass der ÖVP-Obmann künftig auch erprobtes Wahlkampf-Know-how in seinem engsten Umfeld hat; und der bisherige ÖAAB-Generalsekretär Lukas Mandl wird sich künftig um die langfristige Personalstrategie der Partei kümmern; Mandl wird in einem Büro der Politischen Akademie residieren. Nähere Details zum neuen Job sollen am Dienstag in einer Pressekonferenz bekennt gegeben werden.
Das Bildungsinstitut selbst fällt übrigens als strategischer Vor- und Querdenker aus, muss es doch seit Jahren mit ständigen Budgetkürzungen zu Rande kommen, wozu allerdings auch eigenes Missmanagement beigetragen hat. Und auch die wirtschaftsnahe Julius Raab Stiftung, Anfang der 90er Heimstätte einer Gruppe junger ÖVP-Querdenker, ist gerade erst dabei, den Neustart aus der Versenkung zu versuchen.
Sowohl Wahlkampfexpertise als auch langfristiges Personalmanagement würden eigentlich zum engeren Aufgabenbereich von ÖVP-Generalsekretär Johannes Rauch zählen. Der Tiroler hat in den eigenen Reihen Kritiker, die ihm hinter vorgehaltener Hand vorwerfen, er agiere für seinen Job zu introvertiert, ihm fehlten die Antennen in die Länder. Allerdings gibt es in der ÖVP auch jene, die den Jobwechsel Mandls auf Spannungen zwischen ihm und seiner Vorgesetzten, Innenministerin und ÖAAB-Obfrau Johanna Mikl-Leitner, interpretieren. Wie dem auch sei, aus dem Büro Spindelegger heißt es dazu, eine Rochade im Generalsekretariat stehe nicht zur Debatte.
"SPÖ und Grüne haben die Nase vorn"
Unabhängig von den in solchen Situationen hochkochenden Personalspekulationen steht zumindest eines in der ÖVP selbst außer Zweifel: Was das langfristige Personalmanagement angeht, ist die Partei im Vergleich zu SPÖ und Grünen hoffnungslos ins Abseits geraten. Dafür ist nicht zuletzt der Entschluss der Gruppe um den aus dem ÖVP-Umfeld stammenden Berater Matthias Strolz der beste Beweis, die bei der Nationalratswahl mit einer eigenen Partei antreten will. Für Strolz steht außer Zweifel, "dass es der ÖVP in den vergangenen Jahrzehnten nicht gelungen ist, ihr personelles Potenzial zu heben und neue Entwicklungen immer wieder in sich aufzunehmen".