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Antibiotika werden häufig unnötig verschrieben - ein Test soll Abhilfe schaffen.
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Durham/Wien. Nach wie vor kommen bei Atemwegsinfekten viel zu häufig Antibiotika zum Einsatz, lautet in regelmäßigen Abständen die Kritik von Experten. Ihre Sorge besteht darin, dass die Resistenzbildung - also die Fähigkeit von Bakterien, die gegen sie gerichteten Gifte abzuschwächen oder gar zu neutralisieren - weiter voranschreitet und die Behandlungsmöglichkeit mit antibiotisch wirksamen Substanzen schließlich ausgeschöpft sein könnte.
Antibiotika stellen zwar grundsätzlich einen Segen der Schulmedizin im Kampf gegen Bakterien dar, doch ihr Einsatz sollte aufgrund der sich seit Jahren abzeichnenden Entwicklungen nur gezielt erfolgen, lauten die Ratschläge.
Sicherheit geht vor
In der Arztpraxis ist es allerdings nach wie vor kein Leichtes, zu entscheiden, ob ein Patient einer bakteriellen oder viralen Atemwegsinfektion zum Opfer gefallen ist. Entsprechende Bluttests, die zur Diagnoseabklärung zum Einsatz kommen, sind mitunter aufwendig und dauern lange. Sowohl dem Patienten als auch dem Arzt ist es in der Hoffnung auf rasches Abklingen der unangenehmen Begleitsymptome und einer Verhinderung möglicher Komplikationen bei einem Fortschreiten der Erkrankung oft ganz recht, zur Sicherheit ein Antibiotikum zu verabreichen.
Um hier Abhilfe schaffen zu können, haben US-Wissenschafter einen ganz speziellen Gentest entwickelt, der mit knapp 90-prozentiger Wahrscheinlichkeit bestimmen kann, ob es sich bei der Erkrankung um eine virale oder bakterielle Infektion handelt. Mit dieser Entwicklung sind die Forscher um Ephraim Tsalik, Spezialist für Infektionserkrankungen im Duke University Medical Center, dem baldigen Einsatz in der Praxis einen wichtigen Schritt näher gekommen, wie sie im Fachblatt "Science Translational Medicine" berichten.
Drei Viertel versorgt
Den derzeit vorherrschenden überbordenden Einsatz der Wunderwaffe gegen Bakterien bestätigt auch Tsalik in der Publikation: "Etwa drei Viertel dieser Patienten würden derzeit mit Antibiotika versorgt - ungeachtet der Tatsache, dass es sich bei den meisten um Viruserkrankungen handelt. Der exzessive Gebrauch dieser Substanzen hat dabei nicht nur aufgrund der Resistenzbildungen Auswirkungen auf den einzelnen und die öffentliche Gesundheit." Reste der Wirkstoffe landen im Abwasser und werden damit in Folge dem gesamten menschlichen Kreislauf auf verschiedenste Art und Weise wieder zugeführt.
Umso präziser daher die Diagnose erstellt werden kann, je eher können nicht nur unnötige Antibiotikagaben vermieden, sondern auch Viruskranke besseren Behandlungsmethoden zugeführt werden, betont Geoffrey S. Ginsburg, Direktor des Duke’s Center for Applied Genomics & Precision Medicine. Derzeit wird Patienten mit "echter" Grippe - Influenza - das antiviral wirkende Tamiflu verabreicht. Für die meisten anderen Viruserkrankungen gilt praktisch das Motto "Abwarten und Tee trinken". Aber in den nächsten fünf bis zehn Jahren könnte es schon mehrere antivirale Medikamente geben, für deren Einsatz die Unterscheidung in Form eines präzisen Tests noch mehr an Bedeutung gewinnt.
Für die Arztpraxis geeignet
"Das ideale Szenario" sieht Christopher Woods vom Duke Genomic Center in der Möglichkeit, einen solchen Test schon in der Arztpraxis anwenden zu können, um das Resultat noch während der Konsultation erhalten zu können. Der Test soll schließlich mit der herkömmlichen Ausrüstung im klinischen Labor durchgeführt werden können. Damit könnte dann auch ein Leitfaden für die Verwendung künftiger antiviraler Behandlungsmethoden erstellt werden, betonen die Forscher.