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"Pater semper incertus est" (der Vater ist immer unsicher) lautet ein geflügeltes Wort, das noch aus einer Zeit stammt, in der keine DNA-Analysen verlässliche Vaterschaftsnachweise erbringen konnten. Das können sie aber auch heute in jenen seltenen Fällen nicht, in denen die Mutter im selben Zeitraum mit eineiigen Zwillingsbrüdern Sex hatte. Wissenschaftlich lässt sich nicht klären, wer der Vater ist.
An diesem Umstand scheiterte in Deutschland bereits in zwei Instanzen (nur zum Höchstgericht kann der Kläger noch gehen) die Vaterschaftsklage eines inzwischen 14-Jährigen. Die Gerichte sahen sich außerstande, seinen wahren Vater zu ermitteln und in die Pflicht zu nehmen.
Anders endete ein ähnliches Verfahren in Österreich, als ein Beklagter - zu Recht oder zu Unrecht - die Vaterschaft auf seinen Zwillingsbruder schob. Der Oberste Gerichtshof legte fest, dass "bei gleicher Vaterschaftswahrscheinlichkeit also der beklagte Mann als Vater festzustellen und zur Unterhaltszahlung zu verpflichten ist". Ist der Beklagte nicht der Vater, soll er das gefälligst beweisen.
Diese unterschiedliche Rechtssprechung - keiner muss zahlen oder nur der Erstbeklagte, der vielleicht doch nicht der Vater ist - hat einige Schönheitsfehler. Klar, bei Mordverdacht müsste man beide eineiige Zwillingsbrüder im Zweifel freisprechen. Aber wenn beide zweifelsfrei in der fraglichen Zeit Sex mit der Mutter hatten, mussten beide mit einer folgenden Schwangerschaft der Frau rechnen. Warum brummt man dann nicht beiden möglichen Vätern jeweils die Hälfte der Unterhaltspflichten auf?