Otmar Höll: Wirtschaft geht vor Menschenrechte. | "Boykotte sind keine Lösung." | "Wiener Zeitung": Der 10. Dezember ist der Tag der Menschenrechte. Kann man als Politiker an der Macht diesbezüglich überhaupt ein guter Mensch sein? | Otmar Höll: Ja, zumindest wenn man in einem reichen Industrieland lebt und sich weniger mit der Realität als mit den Normen beschäftigt. Man muss es sich leisten können, die Menschenrechte einzuhalten.
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Trotzdem sind diese eine der größten menschlichen Errungenschaften, auch wenn ihre Umsetzung vor allem in Krisen viele Fragen aufwirft.
Losgelöst von jeder politischen Romantik: Welchen Stellenwert hat der Schutz der Menschenrechte in der internationalen Politik?
Als visionäres Ziel sind sie sicher eine wichtige Größe. Probleme gibt es immer dann, wenn man Abwägungen mit anderen politischen Zielen zu treffen hat, etwa der Energiesicherheit oder Exportmärkten.
Diese Abwägungen werden ausnahmslos zu Lasten der Menschenrechte getroffen.
Leider ja. Verzicht fällt vor allem reichen Staaten schwer. Andererseits wissen wir heute auch, dass den Menschenrechten in einem Land nicht geholfen wird, wenn wir unser Öl oder unsere Rohstoffe woanders kaufen. Oft wird dadurch sogar das Leid weiter verstärkt. Boykotte sind keine Lösung in einer Welt, die immer enger zusammenwächst. Sie rufen nur andere Länder mit anderen Interessen auf den Plan, ihre negativen Folgen müssen die einfachen Bürger tragen. Die alten Theorien und Instrumente funktionieren einfach nicht mehr; und Wissenschaft und Politik sind nicht sehr kreativ, wenn es um neue Wege zur Durchsetzung der Menschenrechte geht.
Provokant formuliert könnte man zu dem Schluss kommen, dass Demokratie dabei auch nicht sehr hilfreich ist: Jede Regierung muss zuerst einmal die Interessen der eigenen Bevölkerung schützen - Jobs und Öl sind da wichtiger als die Menschenrechte in China oder Iran.
Ja, zumindest teilweise haben Sie mit Ihrer provokanten These durchaus recht. Andererseits ist Partizipation wiederum der einzige Schlüssel zur Lösung. Ich habe auch keine einfache Antwort. Wir brauchen aber zweifellos mehr Demokratie, nicht zuletzt im Sinne einer Weltinnenpolitik, die auch Märkte teilt - die Dritte Welt braucht vor allem auch einen Anteil am wirtschaftlichen Weltmarkt.
Apropos Markt: Auch die Menschenrechte sind für viele private NGOs ein sehr gutes Geschäft. Gut vermarktbare Probleme wie Tibet sind dank dem PR-Genie des aktuellen Dalai Lama weltweit in aller Munde; andere, mindestens so große Menschenrechtsverletzungen fristen in der Weltöffentlichkeit ein Schattendasein. Auch hier geht es also um Profite.
Ich bin selbst Vorstand bei Care Österreich; hier wird professionell - wenn man so will, kapitalistisch - gearbeitet. Aber die Projekte, die umgesetzt werden, sind ausgezeichnet.
Ist am Ende der Kapitalismus auch bei der Umsetzung der Menschenrechte der beste Weg?
So würde ich das nicht sagen, aber natürlich leben wir in einer kapitalistischen Welt. Wir müssen die positiven Seiten des Kapitalismus wie etwa seine Wandlungsfähigkeit und Kreativität nutzen und gleichzeitig lernen, dass das Wachstum Grenzen hat - aktuelles Stichwort Klimadebatte.
Ao. Univ.-Prof. Otmar Höll, geboren 1948, ist Direktor des Österreichischen Instituts für Internationale Politik (OIIP) in Wien.