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Image der Kommission angekratzt

Von Heike Hausensteiner, Straßburg

Europaarchiv

Heftiger Kritik war gestern die EU-Kommission im Europäischen Parlament (EP) in Straßburg ausgesetzt. Der Anlass: Kommissionspräsident Romano Prodi musste im Haushaltsausschuss des Parlaments zu den unrühmlichen Vorfällen um das Statistikamt Eurostat Stellung nehmen.


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"Leere Worte statt Taten", "die Glaubwürdigkeit verspielt", "der Kommissionspräsident ist geschwächt" - so lauten die Vorwürfe der Europa-Parlamentarier an Prodi. "Sie haben nicht auf das Parlament gehört, das ist ganz simpel", attackierte SPÖ-Abg. Herbert Bösch den Kommissionspräsidenten frontal. Und erntete dafür spontanen Applaus im übervollen Haushaltskontrollausschuss. Er habe bereits vor einem Jahr auf die Missstände rund um Eurostat hingewiesen, echauffierte sich Bösch. Für ihn ist klar: "Die Dinge gehören politisch auf den Kopf gestellt."

Bösch hat den - allerorts beachteten - parlamentarischen Untersuchungsbericht zur Eurostat-Affäre verfasst und möchte, dass "Dinge, die in dieser Amtsperiode passiert sind, auch in dieser Periode geklärt werden". Wegen überteuerter (Schein-)Verträge, die Eurostat mit privaten Dienstleistungsanbietern abgeschlossen hatte, ermitteln seit dem Frühjahr die Staatsanwaltschaften in Paris und Luxemburg (die "Wiener Zeitung" berichtete). "Das ist die gewohnte Mischung aus Arroganz und Ignoranz", konstatiert Bösch nun, "wir hatten schon einmal einen Rücktritt der Kommission". Die vorangegangene Kommission wurde 1999 wegen Korruptionsvorwürfen vom EU-Parlament gezwungen, vorzeitig abzudanken. SP-Abg. Bösch urgiert nicht nur eine umgehende Klärung des Eurostat-Falls; die Anti-Korruptionsbehörde OLAF (Organisation Lutte Anti-Fraude) müsse zudem von derzeit 20 auf "mindestens 140 Planstellen" aufgestockt werden, um die Untersuchungen rascher durchführen zu können. Kommissionspräsident Prodi schlug in einem "Aktionsplan" vor, Fälle wie diesen künftig "intern" in der Kommission zu klären.

Im Haushaltskontrollausschuss wird das kategorisch abgelehnt. Damit würden "die Räuber selbst die Polizei informieren", hieß es. "Hier gehört parlamentarische Kontrolle her", sagte Bösch zur "Wiener Zeitung". "Die Kontrolle ist in der ganzen Demokratie Aufgabe des gewählten Parlaments." Außerdem: "Es wäre gut, wenn die Kommission einen sauberen Schreibtisch überlassen würde." Die Brüsseler Exekutivbehörde wird im Herbst nächsten Jahres neu besetzt. Auch angesichts seiner innenpolitischen Bestrebungen solle Prodi für reinen Tisch sorgen, meint Bösch.

"Einmischung unzulässig"

Eben dieses von Prodi vermutlich geplante Comeback in Italien macht die Delegationsleiterin der ÖVP-EU-Parlamentarier, Ursula Stenzel, dem amtierenden Kommissionspräsidenten zum Vorwurf: Dieser mische sich in den EU-Parlamentswahlkampf ein, nachdem er, wie berichtet, die italienische Linke zu einem geschlossenen Auftreten aufgerufen hatte. Stenzel sieht Prodi europapolitisch geschwächt, "er ist ein angeschlagener Kommissionspräsident". In der Causa Eurostat habe er zu spät reagiert, nun wolle er die Anti-Korruptionsbehörde OLAF beschneiden - was Prodi selbst jedoch ausdrücklich in Abrede stellte. Daneben reiht Stenzel in die Kette der Vorwürfe an die Kommissionsführung auch den Umgang mit dem Stabilitäts- und Wachstumspakt.

Es sei bedenklich, dass die beiden großen Mitgliedstaaten Deutschland und Frankreich den Pakt "aushebeln" wollten. Dass die Kommission dazu nicht klar Stellung nehme, sei eindeutig ein Zeichen ihrer Schwäche. Damit werde der Stabilitätspakt "ein bedeutungsloses Papier", so Stenzel, "und dafür zahlen alle Steuerzahler den Preis".