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Imagepolitur im Lebensmittelhandel

Von Petra Medek

Wirtschaft
Hoch hinaus wollen die Lebensmittelsketten mit ihrer Qualitätsoffensive. Foto: bbox

Branchenriesen setzen auf Gesundheitstrend. | Industrie beäugt Adeg-Rewe-Deal | kritisch. | Wien. 30 Prozent billiger, minus 50 Prozent, minus 51 Prozent - diese Anpreisungen waren in den letzten Jahren im heimischen Lebensmittelhandel gang und gäbe. Die beiden Branchenriesen Spar (mit Spar, Interspar und Eurospar) und Rewe (dazu gehören Billa, Merkur und Penny) lieferten sich europaweit einzigartige Preisschlachten - und schielten dabei stets auf die Diskontmärkte, welche im österreichischen Lebensmittelhandel dank extrem niedriger Verkaufspreise stetig an Terrain gewonnen haben.


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Die Diskonter Hofer, Lidl und Penny haben es mittlerweile in Österreich auf einen Marktanteil von insgesamt knapp 30 Prozent gebracht. Zum Vergleich: Laut den Marktforschern von AC Nielsen lag der europaweite durchschnittliche Diskonteranteil zuletzt bei knapp 17 Prozent.

Mit den rund 30 Prozent dürfte für die Diskontschiene in Österreich bereits der Plafond erreicht sein, glaubt Peter Schnedlitz, Handelsexperte an der Wirtschaftsuniversität Wien. Verhältnisse wie in Deutschland, wo die Diskonter gemeinsam etwa 40 Prozent des Lebensmittelhandelumsatzes machen, sind hierzulande kaum möglich. Dazu seien die beiden großen Ketten zu stark, meint Schnedlitz.

Premium statt Preis

Der Preis als einziges Marketinginstrument - das kann sich auf Dauer nicht rechnen, das haben die klassischen Supermärkte erkannt. Außerdem reicht diese Methode gar nicht aus, um den Diskontern, die ihr Frische-Sortiment permanent ausweiten, Paroli zu bieten.

Gesundheit und Wellness heißen jetzt die Schlagworte, welche die Werbeauftritte von Billa und Spar prägen. "Wir wollen weg vom ruinösen Preiswettbewerb", sagte vor kurzem Billa-Vorstand Josef Siess bei der Präsentation der neuen Werbekampagne mit dem personifizierten "Hausverstand". Dieser soll den Kunden quasi als innere Stimme zum Nachdenken über seine Ernährung und Lebensweise anregen.

Die Preiswerbung in den TV-Spots von Billa wurde vorerst gestoppt, Mindestqualitätsstandards würden angestrebt, an den Billa-Kassen sollen gesunde Kleinigkeiten die herkömmlichen energiereichen Snacks ersetzen, hieß es.

Der medienwirksame Schwenk des Konkurrenten stößt Spar-Vorstand Gerhard Drexel sauer auf. "Beim Thema Gesundheit sind wir Pioniere, das besetzen wir schon seit zwei Jahren". Spar punkte hier mit innovativen Eigenmarken sowie Bio-Produkten. Mit der Betonung auf Qualität kopiere der Konkurrent seine Gruppe. Die Ankündigung von Billa, das Preisschlachtfeld verlassen zu wollen, hält er für "Sonntagsansprachen, die sich in der Praxis nicht verwirklichen lassen. Im Handel wird der Preis immer eine ganz wesentliche Rolle spielen. Wer das Gegenteil sagt, äußert entweder seinen Wunsch oder ignoriert die Gesetzmäßigkeiten des Marktes".

15 Prozent mobilisierbar

Laut Handelsexperten Schnedlitz ist mehr als die Hälfte der Konsumenten preisorientiert. Etwa ein Viertel fühlt sich durch das Qualitätsargument angesprochen und kauft auch hochwertige Lebensmittel. An diesen Kunden gingen die Gesundheitskampagnen ohnehin vorbei, meint Schnedlitz. Ansprechen könne man nur rund 15 Prozent, die für das Thema Qualität sensibel seien.

Ganz so neu ist die Betonung der Qualität heimischer Lebensmittel jedoch nicht: "Die Lebensmittelproduzenten haben hier schon lange ein festes Fundament aufgebaut, auf dem sich der Handel gut bewegen kann", betont Michael Blass vom Fachverband Lebensmittelindustrie in der Wirtschaftskammer. "Schlechte Lebensmittel gibt es bei uns ja nicht", schlägt Schnedlitz in die gleiche Kerbe.

Aufreger Adeg-Deal

Dass die zwei Branchenriesen um jeden Zehntelprozentpunkt bei den Marktanteilen rittern, zeigt nicht zuletzt der Einstieg der Rewe-Gruppe bei Adeg. Die gemeinsamen Einkaufspläne lassen in der Branche die Wogen hoch gehen. In einem Interview mit der "Wiener Zeitung" hat Adeg-Chef Andreas Poschner für kurzem angekündigt, etwa 70 Prozent des Adeg-Einkaufsvolumens über Rewe abwickeln zu wollen. Drexel spricht von einem Beschaffungskartell und hofft auf Aktivitäten der Bundeswettbewerbsbehörde.

Blass ortet durch den gemeinsamen Einkauf erhöhten Druck auf die Lieferanten. "Eine relevante Größe heimischer Lebensmittelproduzenten ist dadurch einer verschärften Bedrohung ausgesetzt".

Ob die neuen Werbelinien den Lebensmittelherstellern zu höheren Preisen verhelfen, bleibt abzuwarten. "Jedenfalls ist dies ein großer Sprung vorwärts im Vergleich zu den Preisschlachten", meint Blass.

+++ Mehr:

- Wo der Hausverstand versagt

- Diskonter zogen heimischen Lebensmittelhandel 2006 ins Plus