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Spindelegger für mehr direkte Demokratie und Steuer-Zweckwidmung.
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Wien. All die Affären, die im Korruptionsuntersuchungsausschuss beleuchtet werden, haben das Ansehen der Politik in Österreich schwer ramponiert. Politiker stehen unter Generalverdacht, korrupt zu sein und außer ihrem eigenen höchstens das Wohl der Partei im Sinn zu haben. Besonders leidet die ÖVP - auch wenn sich etwa die Druckkostenbeiträge der Telekom für die Volkspartei wie Peanuts ausnehmen im Gegensatz zu dem, was (Ex-)Politiker aus dem freiheitlichen Lager von dem teilstaatlichen Unternehmen kassiert haben sollen. Zu wirklichen Skandalen komme noch "Skandalisierung" durch die Medien dazu, beklagt ÖVP-Klubobmann Karlheinz Kopf.
Die Volkspartei tritt nun an, den Ruf der Politik wiederherzustellen. "Es ist wichtig, dass man spürt, wenn sich etwas verändert", sagte Parteichef Michael Spindelegger in der ORF-"ZiB 2": "Es gibt eine Abwendung von den etablierten Parteien. Nicht nur von uns, von allen." Dagegenhalten will Spindelegger mit einer "Auffrischung der Demokratie". Für das richtige Mittel hält er das Demokratiepaket, das JVP-Obmann Sebastian Kurz am Samstag präsentiert hat. Davon scheint Spindelegger so begeistert, dass er es am Mittwoch gleich noch einmal vorstellte - ungeachtet dessen, dass die SPÖ dem JVP-Paket eine Absage erteilt hat.
Vor allem an drei Punkten der Kurzschen Demokratiereform will Spindelegger festhalten: Steuer-Zweckwidmung (die Steuerzahler sollen wissen und zum Teil mitbestimmen, wofür Steuergeld verwendet wird), mehr direkte Demokratie (Stärkung des Persönlichkeitswahlrechts durch mehr Gewicht für Vorzugsstimmen und mehr Direktmandate) und mehr Bürgerbeteiligung (Volksbegehren, die von mehr als 10 Prozent der Wahlberechtigten unterstützt werden, sollen automatisch zu Volksabstimmungen werden).
Bei den anderen Parteien haben die JVP-Pläne keine Begeisterungsstürme ausgelöst. Trotzdem will Spindelegger mit SPÖ-Chef Kanzler Werner Faymann "das Gespräch suchen". Dass die Demokratie-Reform bald kommt, glaubt der ÖVP-Obmann aber nicht: "Nichts, was eine Zweidrittelmehrheit braucht, ist am nächsten Tag erledigt."
Dass die Direktwahl von 100 Nationalratsabgeordneten - wie von SPÖ-Bundesgeschäftsführer Günter Kräuter befürchtet - "Großbauern und Großunternehmer" bevorzugt, glaubt Spindelegger nicht. So sei SPÖ-Klubobmann Josef Cap als Erster über Vorzugsstimmen in den Nationalrat gekommen, und der falle in keine der beiden Kategorien.
Für ÖVP-Klubchef Kopf sind Reformen im Bereich Parlamentarismus und Wahlrecht dringend nötig, denn "sinkende Wahlbeteiligungen, Wutbürger und Piraten" würden eine große "Unzufriedenheit mit dem System" zeigen. Um die "Akzeptanz der repräsentativen Demokratie zu erhöhen", braucht es laut Kopf auch "volle Transparenz bei der Parteienfinanzierung".
Kein Mehrheitswahlrecht
Die Vorschläge der JVP will Kopf auch in die Arbeitsgruppe zur Parlamentsreform einbringen. Dort herrscht laut Nationalratspräsidentin Barbara Prammer bisher allerdings nur Einigkeit darüber, dass man kein Mehrheitswahlrecht will. Man wolle keine "völlige Umkrempelung des Wahlrechts", findet auch Spindelegger.
Geht es nach der Bundesregierung, sollte sich die Arbeitsgruppe zur Parlamentsreform mit der im Sparpaket vorgesehenen Verkleinerung von National- und Bundesrat beschäftigen. Für Prammer ist diese Frage allerdings nach wie vor nebensächlich. Sie hält Einsparungen durch eine Verkleinerung für eher fraglich, da bei weniger Abgeordneten die Zahl der Assistenten erhöht werden müsse, um die gleiche Arbeitsleistung zu erbringen. Als viel geeignetere Sparmaßnahme schlug die Nationalratspräsidentin am Mittwoch abermals einen Super-Wahlsonntag vor.
Zufrieden zeigte sich Prammer mit dem Korruptionsuntersuchungsausschuss. Koalition und Opposition hätten wieder zu einer konsensualen Arbeit gefunden.
Zuletzt waren die Wogen zwischen Regierungs- und Oppositionsparteien hochgegangen, weil die Koalition die Ladung bestimmter Zeugen zur Causa Telekom verhindert hatte. Die Opposition hatte eine ganze Serie von Nationalratssondersitzungen angekündigt. Doch schon bei der zweiten Sitzung ist nun fraglich, ob diese überhaupt kommt.
FPÖ und Grüne kündigten am Mittwoch einen entsprechenden Antrag für die nächsten Tage an. Das BZÖ allerdings hält eine Sondersitzung derzeit für nicht sinnvoll. Nur zu dritt können die Oppositionsparteien beliebig viele Sondersitzungen beantragen.