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Immer mehr bedrohte Arten

Von Heiner Boberski

Wissen
Eine Goldmeerkatze - auch Primaten sind unter den stark gefährdeten Tierarten.
© wikimedia

Weltnaturschutzunion fordert Ausweitung und besseres Management des Naturschutzes.


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Sydney/Wien. 22.413 Arten der globalen Tier- und Pflanzenwelt droht derzeit das Aussterben, als bedroht sind insgesamt 76.199 Spezies anzusehen. Das geht aus der nun veröffentlichten aktuellen Roten Liste - diesen Katalog gibt es heuer seit genau 50 Jahren - der Weltnaturschutzunion (IUCN) hervor. Da fast die Hälfte der neu in die Liste aufgenommenen Arten in Schutzgebieten vorkommt, rief die IUCN auf ihrem Jahreskongress in Sydney zu einer besseren Verwaltung solcher Regionen auf, um den Rückgang der Biodiversität zu stoppen.

Die Ursachen dieser Entwicklung liegen meist in der Zerstörung von Lebensräumen durch rücksichtslose Formen von Rohstoffabbau, Fischfang, Abholzen und Landwirtschaft sowie durch den - auch vom Menschen beeinflussten - Klimawandel.

Mehr Schutz und besseres Management

"Jedes Update der Roten Liste der IUCN lässt uns erkennen, dass unser Planet ständig von seiner unglaublichen Vielfalt des Lebens verliert, und zwar hauptsächlich wegen unseres destruktiven Handelns, um unseren wachsenden Appetit auf Ressourcen zu befriedigen", erklärte IUCN-Generaldirektorin Julia Marton-Lefèvre. Es sei aber wissenschaftlich bewiesen, dass Naturschutzgebiete eine zentrale Rolle bei der Umkehrung dieses Trends spielen können. Es gehe darum, "die Zahl von Schutzgebieten zu erhöhen und sicherzustellen, dass diese effizient verwaltet werden, damit sie dazu beitragen können, die Biodiversität unseres Planeten zu retten".

Laut Unep, dem Umweltprogramm der Vereinten Nationen, nehmen die Naturschutzgebiete weltweit zu und umfassen bereits mehr als 200.000 Einzelflächen mit zusammen fast 33 Millionen Quadratkilometern, was die Größe Afrikas übertrifft. Doch, so kritisieren die Autoren der erst vorige Woche publizierten neuesten Unep-Studie, werden nicht immer die Gebiete, die es am nötigsten hätten, unter Schutz gestellt: Gebiete mit besonders hoher Artenvielfalt. Zudem müsste das Management in vieler Hinsicht verbessert werden.

Billig kämen der Schutz und ein nachhaltiges Management aller relevanten Flächen nicht: Die Unep-Autoren rechnen mit jährlichen Kosten von rund 61 Milliarden Euro. Stehen derzeit 15,4 Prozent der globalen Landfläche und 3,4 Prozent der Weltmeere unter Naturschutz, so werden bis 2020 gemäß der UN-Konvention über biologische Vielfalt 17 Prozent Land- und zehn Prozent Meeresfläche angestrebt. Das hält die Unep-Studie für machbar, obgleich es in internationalen Gewässern, für die keine nationale Regierung zuständig ist, schwierig werden könnte.

Zunächst wollte ja die UNO das globale Artensterben schon bis zum "Internationalen Jahr der Biodiversität" 2010 gestoppt haben, mit dem Nagoya-Protokoll von 2010, das am 12. Oktober 2014 - nach der Ratifizierung durch mehr als 50 Staaten - in Kraft trat, wurde dieses Ziel auf 2020 verschoben. Bis dahin wird es mutmaßlich etliche Arten nicht mehr geben. Einige hat die IUCN am Montag besonders hervorgehoben, etwa die auf Märkten in Hongkong gehandelte Chinesische Kobra (Naja atra) und den in Asien als Sushi gefragten Nordpazifischen Blauflossen-Thunfisch (Thunnus orientalis), der wegen jahrelanger Überfischung äußerst gefährdet ist. Als sehr bedroht gilt auch der Amerikanische Aal (Anguilla rostrata), dem Klimawandel und Umweltverschmutzung zu schaffen machen. Äußerst gering sind nur noch die Bestände des giftigen, aber - wie andere Kugelfischarten - vor allem in Japan als Delikatesse begehrten chinesischen Kugelfisches (Takifugu chinensis). Sie sind in den vergangenen 40 Jahren um 99,99 Prozent geschrumpft. Als nunmehr ausgestorben führt die IUCN eine zuletzt nur noch in einem Steinbruch in Malaysia existierende Schneckenart (Plectostoma sciaphilum) und den mit 80 Millimetern Länge weltgrößten Ohrwurm (Labidura herculeana), der nur auf der Atlantikinsel St. Helena vorkam, an.

Aber auch Primatenarten wie die Golden Monkeys (Goldmeerkatzen, Cercopithecus kandti), die im Grenzgebiet zwischen Ruanda, Uganda und dem Kongo lebenden kleinen Verwandten der Berggorillas, werden sehr rar. Seit 2007 soll ihre Zahl in Ruanda um 20 Prozent zurückgegangen sein.