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Jeder 200. Kreditnehmer in den USA ist betroffen. | Städte durch Versteigerungen finanziell belastet. | NewYork. Es scheint, als ob ein weiterer amerikanischer Traum ins Trudeln geraten ist. Der Traum, dass eine gute Ausbildung einen sicheren und gut bezahlten Job bringt, der eine Familie ernähren kann, ist für sehr viele Amerikaner ohnehin bereits verpufft. Bildung ist extrem teuer, die Jobs sind schlechter bezahlt, immer mehr können sich keine Kinder mehr leisten. Und nun steht auch noch der letzte aller amerikanischen Träume auf wackeligen Beinen: Einmal stolzer Besitzer eines Eigenheims zu sein.
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Der Grund: Neueste Statistiken zeigen, dass jeder 200. Kreditnehmer in den USA zur Zeit sein Hab und Gut durch Zwangsversteigerung verliert. Viele können sich die monatlichen Zinszahlungen nicht mehr leisten, weil sie vor Jahren gutgläubig einen Kredit genommen haben, der anfänglich zwar günstig war, doch heute einfach nicht mehr leistbar ist. Betroffen ist jeder, ob arm oder reich.
Dabei hat alles so gut angefangen. Mitte der 90er Jahre hat die von US-Präsident Bill Clinton ins Leben gerufene und von öffentlicher wie privater Seite mitgetragende "Nationale Hausbesitzer-Strategie" einen wahren Run auf den Immobilienmarkt hervorgerufen. Man einigte sich auf mehrere Initiativen, die die Amerikaner zum Hauskauf animieren sollen.
Die Demokratisierung der Kredite
Eine davon war die Idee, Hauskredite leistbarer und flexibler zu gestalten. Das hieß, dass auch Bürgern, die es sich sonst kaum hätten leisten können, die Chance gegeben werden sollte, Hausbesitzer zu werden, indem man ihnen "gute" Kreditangebote macht. Eine "Demokratisierung der Kredite" also.
Besaßen vor 20 Jahren 64 Prozent der Amerikaner ein Haus, so waren es Anfang 2000 schon über 70 Prozent. Die Nachfrage war groß, die Preise stiegen ins Unermessliche, die Immobilienbranche und die Kreditinstitute freuten sich über Rekordeinnahmen.
Viele Amerikaner kauften aufgrund der günstigen Kreditangebote, die auf einmal den Markt überschwemmten, ihr gemütliches Eigenheim und hofften, dort nicht nur ihre Kinder großzuziehen, sondern auch einmal alt zu werden.
Doch vor wenigen Monaten geriet die Branche ins Trudeln, weil die Immobilienpreise sanken. Damit bekamen auch viele Amerikaner Schwierigkeiten, die ihren Traum vom Eigenheim auf wackelige Kredite unlauterer Kreditunternehmen gebaut hatten.
Unzählige Kreditinstitute, kaum von öffentlicher Hand kontrolliert, versuchten in den letzten Jahren mit allen Mitteln ihre dubiosen Kredite Menschen unterzujubeln, deren Einkommen oder Bonität zu gering war. Sie überredeten ältere Menschen und alleinerziehenden Mütter, am Boom teilzuhaben.
Bis vor kurzem erschienen die sogenannten "subprime" oder "predatory" Kredite tatsächlich als billige Angebote mit unverschähmt niedrigen Zinsen, ohne Anzahlung und mit Laufzeiten bis zu 50 Jahren.
Doch der Haken daran: Nach zwei Jahren muss man teuer refinanzieren, oder horrend hohe Zinszahlungen in Kauf nehmen. Viele der ehemals stolzen Hausbesitzer können die neuen Kosten, die zuweilen bis zu 50 Prozent höher liegen, nicht mehr tragen. Dann übernehmen die Banken, die Zwangsversteigerung ist nicht mehr aufzuhalten.
"Im Moment geht's wirklich drunter und drüber", erzählt David Pesch, Konsumentenschutzberater im Sozialzentrum St. Martin in Erie, einer von Versteigerungen besonders getroffenen Kleinstadt in Norden des US-Bundesstaates Pennsylvania. Er berät Hausbesitzer, die in Not geraten sind und ihren Zahlungen nicht mehr nachkommen können.
"Bei uns wird es in diesem Jahr drei Mal mehr Liegenschaftsverpfändungen geben als im Jahr 2005. Das ist ein großes Problem", sagt Pesch.
Privatkonkurse und Kosten für die Stadt
Nicht nur, dass die Betroffenen als Folge einer Zwangsversteigerung vielfach Privatkonkurs anmelden müssen, sie laufen auch Gefahr, diverse Ansprüche zu verlieren, etwa jenen auf eine geförderte Mietwohnung. Auch die Gemeinden leiden unter diesen Bedingungen. Laut Berechnungen von Experten kostet jede Zwangsversteigerung eine Stadtverwaltung bis zu 30.000 Dollar. Hier sind der Wertverlust der Immobilie ebenso eingerechnet wie der Einnahmenausfall für öffentliche Serviceleistungen und Steuern. "Der Stadt Erie werden die Zwangsversteigerungen in diesem Jahr fast 45 Millionen Dollar kosten", sagt Pesch.
Diese Entwicklung ist im gesamten US-Gebiet schmerzlich zu beobachten. In Cleveland etwa, einer besonders hart getroffenen Stadt im Norden des Bundesstaates Ohio, hat die Stadtverwaltung zusätzliches Personal einstellen müssen, das sich nur darum kümmert, dass die verlassenen Häuser und Stadtteile nicht gänzlich verfallen.
Dieses Personal mäht den Rasen, installiert Alarmanlagen und achtet darauf, dass sich keine Obdachlosen in den unbewohnten Häusern einquartieren. Das würde den Wert der Immobilien nämlich weiter nach unten drücken. Die Gemeinde investiert Millionen in die Aufrechterhaltung ihrer verlassenen Stadtteile. Und doch ist es nur Schadensbegrenzung, denn ein Ende der Abwärtsspirale ist im Moment nicht in Sicht.