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Österreich ist das einzige EU-Land, in dem die Zahl der Erwerbstätigen steigt, die geleisteten Arbeitsstunden jedoch sinken.
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Wien. Die Zahl der Erwerbstätigen klettert in Österreich seit 2004 jedes Jahr - mit Ausnahme von 2009 - auf einen neuen Rekord, diese leisten aber weniger Arbeitsstunden als im Jahr 2008 vor der Krise. "Österreich ist das einzige Land innerhalb der EU, in dem die Beschäftigtenzahlen steigen, aber das Arbeitsvolumen sinkt", sagt Christine Mayrhuber, Arbeitsmarktexpertin am Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo).
Verantwortlich für das sinkende Arbeitsvolumen ist die lahme Konjunktur: Weil die Wirtschaft schwächer wächst als die Produktivität, sinkt das Arbeitsvolumen. Durch den Teilzeit-Boom ist die Zahl der Erwerbstätigen dennoch gestiegen. Außerdem wurden deutlich weniger Über- und Mehrstunden als 2008 geleistet. In Zahlen: Im Vorjahr wurden nur 0,6 Prozent mehr Stunden als 2004 gearbeitet, die Zahl der Erwerbstätigen hat dagegen im gleichen Zeitraum um knapp zwölf Prozent auf 4,11 Millionen Selbständige und Unselbständige zugenommen, wie aus der Mikrozensus-Arbeitskräfteerhebung der Statistik Austria hervorgeht.
Teilzeit auf Kosten von Vollzeit: "Umverteilung passiert schon"
Der starke Anstieg bei Teilzeit-Erwerbstätigen hat den Rückgang bei Vollzeit-Erwerbstätigen zwischen 2011 und 2014 ausgeglichen. Vor allem im Handel werden zunehmend Vollzeit- von Teilzeitjobs abgelöst. Im ersten Quartal 2015 arbeiteten 28,6 Prozent der selbständig und unselbständig Erwerbstätigen in Teilzeit, bei Frauen sogar 48 Prozent.
Zwar nimmt die Zahl der Erwerbstätigen zu, doch die Zahl der Arbeitslosen steigt noch stärker. Um die Arbeitslosenrate zu senken, müsste das Arbeitsvolumen auf mehr Köpfe verteilt werden. "Das passiert de facto schon. Aber die Umverteilung reicht nicht aus, um das steigende Arbeitskräfteangebot aufzunehmen" erklärt Mayrhuber. Denn durch den späteren Pensionsantritt und den Zuzug sowie Tages- und Wochenpendler aus dem Ausland drängen immer mehr Personen auf den heimischen Arbeitsmarkt.
"Man braucht bei geringerem Arbeitsvolumen eine Arbeitszeitverkürzung, um die Arbeitslosigkeit zu senken", sagt Christoph Klein, stellvertretender Leiter der Abteilung Sozialpolitik in der Arbeiterkammer (AK) Wien. Die Wochenarbeitszeit der Vollzeitbeschäftigten ist seit 2004 laut Eurostat in Österreich wie auch in der EU gesunken. Österreich liegt mit durchschnittlich 43 Stunden pro Woche aber 1,5 Stunden über dem EU-28-Durchschnitt.
Als "intelligente Form der Arbeitszeitverkürzung" sieht Klein den leichteren Zugang zur sechsten Urlaubswoche. Außerdem sollten unbezahlte und vom Arbeitnehmer ungewollte Überstunden reduziert werden, so Klein. Besonders All-In-Verträge seien schädlich, wenn die Arbeitslosigkeit bei rückläufigem Arbeitsvolumen gesenkt werden soll.
Die ÖVP sieht Teilzeitarbeit als eine Möglichkeit für den Wiedereinstieg ins Erwerbsleben. Derzeit können Arbeitslose, die eine Vollzeitbeschäftigung suchen, vom AMS in eine Teilzeitstelle vermittelt werden, wenn sie nicht mehr als 20 Prozent weniger als im früheren Job verdienen und nicht mehr als eineinhalb Stunden hin und zurück pendeln. "Diese Kriterien sollte man nicht aufweichen, denn das könnte Betroffene in finanzielle Probleme bringen", warnt Klein.
16 Prozent der Teilzeitkräfte geben laut Statistik Austria an, keine Vollzeittätigkeit gefunden zu haben. Für Teilzeitbeschäftigte ist es mitunter schwierig, ihre Stundenanzahl aufzustocken. Die AK fordert deshalb, dass freie Stellen zuerst Mitarbeitern intern angeboten werden, damit diese leichter in eine Vollzeit-Stelle oder eine Beschäftigung mit mehr Stunden wechseln können. Wird Teilzeit freiwillig gewählt und von den Arbeitszeiten fair gestaltet, sei daran nichts auszusetzen, so Klein. Teilzeit könne aber bei schlechter Einteilung dazu führen, dass Familienleben und Freizeit schwierig planbar sind und das Einkommen nicht ausreicht.
Arbeitszeit-Flexibilisierungüber Teilzeit-Beschäftigte
Eine "gerechtere" Verteilung von Arbeit - Überstunden bei dem einen Mitarbeiter zu kürzen und diese einem Teilzeit-Beschäftigten zu geben - ist in der Praxis schwierig. Zur Umverteilung des Arbeitsvolumens "gibt es keine einfachen Maßnahmen, kein einfaches Gesetz, sondern Arbeitsabläufe und -prozesse müssten neu gestaltet werden", so Mayrhuber.
Viele Firmen - etwa im Handel - setzen Teilzeitkräfte ein, um den Personalbedarf flexibel abzudecken. Die von den Arbeitgebern geforderten flexiblen Arbeitszeiten sind daher teilweise schon Realität - indem die Arbeit auf mehr Beschäftigte aufgeteilt wird.
Die von der Gewerkschaft geforderte 35-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich hätte auf All-In-Verträge und Arbeitsverhältnissen mit längeren Durchrechnungszeiträumen kaum Auswirkungen, sagt Mayrhuber. Auch der von AK und Gewerkschaft geforderte Überstunden-Euro hätte laut wenig Effekt auf die Beschäftigung. Eine verkürzte Normalarbeitszeit schaffe nicht automatisch mehr Jobs, so die Wifo-Ökonomin: "Wenn es Ausweichmöglichkeiten gibt, etwa über Überstunden oder indem man Produktivitätsreserven hebt, sind die Beschäftigungseffekte kleiner."