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Immer weniger Toleranz in Polen

Von Martyna Czarnowska

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In dem katholischen Land ist eine Debatte über Kindesmissbrauch in der Kirche entbrannt - und sie zeigt einen Wandel im öffentlichen Bewusstsein.


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Jetzt sollen auch noch die Feministinnen schuld sein. Sie würden nämlich die Familie zerstören und verwirrte Kinder zurücklassen, die leichter zu Opfern werden. Zu Opfern von Kinderschändern beispielsweise. Also seien die Feministinnen für so manchen Fall des Missbrauchs mitverantwortlich. Dieser Argumentation bediente sich der Chefredakteur einer rechtskonservativen katholischen Zeitschrift bei einer Mediendebatte über Pädophilie. Diese ist in Polen entbrannt - nicht zum ersten Mal, aber heftig wie selten zuvor. Es geht in erster Linie um Kindesmissbrauch in der römisch-katholischen Kirche. Wurde er früher verschwiegen, werden mittlerweile immer mehr Fälle Gegenstand der öffentlichen Diskussion. So empörte vor kurzem der Umstand, dass ein wegen sexuellen Missbrauchs schuldig gesprochener Pfarrer weiterhin Ministranten betreute - weil das Urteil noch nicht rechtskräftig war. Für Schlagzeilen sorgten auch die Ermittlungen gegen den ehemaligen Vatikan-Botschafter in der Dominikanischen Republik und einen weiteren dort tätigen polnischen Geistlichen. Beiden wird Sex mit minderjährigen Buben vorgeworfen.

In Polen, wo sich nur ein kleiner Bruchteil der Bevölkerung nicht zum Katholizismus bekennt, hat die Debatte eine gesellschaftlich-politische Dimension, die wohl tiefer reicht als bei den vorher gehenden Diskussionen in Deutschland oder Österreich beispielsweise. Sie sorgt jedenfalls für noch mehr Emotionen. Angeheizt werden diese nicht zuletzt durch Aussagen wie jene des Erzbischofs Jozef Michalik, der die Ursache für Kindesmissbrauch unter anderem in zerrütteten Beziehungen der Eltern ortete. Die Kinder, auf der Suche nach Zuneigung, könnten dann bei anderen falsche Reaktionen auslösen.

Der Geistliche, der sich kurze Zeit später dafür entschuldigte, erklärte dies am Rande der Bischofskonferenz, die sich mit Pädophilie in der Kirche beschäftigte. Dabei verabschiedete das Episkopat Handlungsanweisungen für den Umgang mit den Opfern. Diesen müsse - etwa psychotherapeutische - Hilfe geleistet werden. Finanzielle Entschädigungen sind jedoch nicht geplant. Ebenso wenig sind Geistliche, die von Missbrauchsfällen erfahren, dazu verpflichtet, die staatlichen Behörden zu informieren. Allerdings können sie den Opfern raten, selbst Anzeige zu erstatten.

Die aktuelle Debatte zeigt aber auch, wie sehr sich das Bewusstsein und das Empfinden im katholischen Polen im letzten Jahrzehnt gewandelt haben. Darauf weisen ebenfalls Medien hin, die zur Kirche ein distanziertes Verhältnis haben. So erinnert die Zeitschrift "Polityka" an den Fall eines Priesters aus dem Jahr 2001. Als dem Geistlichen der sexuelle Missbrauch von Mädchen vorgeworfen wurde, richtete sich der Zorn der Bevölkerung noch gegen die Anklägerin und die Opfer.

Mittlerweile ist Verdrängung für die Öffentlichkeit keine Option mehr. Und etliche Polen wollen Versuche, Pädophilie zu verharmlosen, in keinem Fall tolerieren. Für sie ist das Versprechen der Bischofskonferenz, alles zu tun, damit sich solche Situationen nicht wiederholen, nun das Mindeste.