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Immer wenn Dugarry kam

Von Birgit Riezinger

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Frauen und Fußball, Fußball und Frauen - ein Verhältnis voller Missverständnisse.


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Wenn Lokale abends mehrheitlich von Frauen besucht sind, auf einem der öffentlich-rechtlichen Fernsehkanäle im Hauptabendprogramm Rosamunde Pilcher läuft, sind das deutliche Indizien: Es muss wohl irgendein Fußball-Match laufen.

Bei Großereignissen wie der Europameisterschaft funktioniert dieses simple Frauen-und-Fußball-ABC nicht. Plötzlich sind alle Fußball. Frauen schauen Fußball. Frauen reden über Fußball. Frauen trinken Bier beim Fußball. Bloß sind die Beweggründe für Frauen, Fußball zu schauen, häufig nicht Spaniens Tiqui-taca, Italiens Catenaccio ("Sieht der gut aus?") oder Englands Kick and Rush. Eher Ronaldos Sixpack, Gomez’ Haarschnitt oder Özils Rehaugen. Bei einem Klischee, das nur allzu häufig bedient wird, fällt es schwer, sich aus dieser Schublade zu befreien. Schließlich ist im 21. Jahrhundert nichts mehr, wie es einmal war. Längst sind Frauen in diverse Männerdomänen vorgedrungen. Frauen führen Unternehmen (abseits von Kosmetikstudios und Friseursalons), Frauen lenken Lkw, Frauen boxen - Frauen spielen, moderieren und verstehen Fußball. Und weil man dem weiblichen Geschlecht die entsprechende Kompetenz eben nicht unbedingt zutraut, muss es diese unter Beweis stellen. Am besten anhand der wohl kompliziertesten aller Fußball-Regeln, dem Abseits. Besteht frau diese Prüfung, ist das gut, es muss aber noch lange nicht reichen.

In der Mittelschule haben mich meine männlichen Klassenkameraden die Tabellenführer diverser europäischer Ligen abgefragt. Glücklicherweise bestand ich.

Bei der Weltmeisterschaft 1998 lernte ich Christophe Dugarry kennen (nicht persönlich). Um ihn in Aktion zu sehen, musste man geduldig sein. Erst verletzte er sich, und im Endspiel wurde er für Gastgeber Frankreich, der letztlich den Titel holte, erst in der 70. Minute eingewechselt. Dugarry spielte schon 1998 mit Haarreifen - also lange bevor David Beckham damit einen Trend setzte. Er war Zinédine Zidanes Busenfreund. Zwei Jahre später rückte Dugarry wieder in mein Blickfeld. Bei der Europameisterschaft 2000. Frankreich holte erneut den Titel.

Dugarry war keiner dieser klassischen "Oh Gott, ist der süß!"-Frauenlieblinge wie Beckham oder Ronaldo. Ich mochte ihn halt. Weibliche Fußball-Fans sind eben auch nur Frauen. Auch wenn Schwärmereien wie diese die Akzeptanz von Frauen als Fußball-Kennerinnen freilich nicht wirklich erhöhen.

Klar, Männer schauen Maria Scharapowa ja bloß wegen ihrer sagenhaften Vorhand beim Tennisspielen zu oder Beachvolleyballerinnen wegen ihrer tollen Baggertechnik. Und über Frauenfußballspiele machen sich Männer, zwar seltener als früher, aber doch noch immer lustig. Und wo käme man hin, den Herren der Schöpfung deswegen ihre Fachkompetenz in Abrede zu stellen?

Christophe Dugarry habe ich nach der EM 2000 übrigens aus den Augen verloren. In den Folgejahren konnte kein anderer Kicker in seine Fußstapfen treten. Fußball schaue ich trotzdem noch. Nicht nur bei Großereignissen. Wegen Tiqui-Taca, Kick and Rush und überhaupt.