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Immerhin, die Steuerreform funktioniert

Von Reinhard Göweil

Politik
Neue Ideen braucht das Land.
© freshidea/Fotolia

Bundesländer und Bankregeln bremsen Wachstum. Das "Österreich 2025"-Projekt muss vieles in Frage stellen.


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Wien. Am 19. Mai sprach der frisch angelobte Bundeskanzler Christian Kern in seiner Regierungsrede von einem wirtschaftspolitischen "New Deal". Mehr Jobs, Freude an Innovation, stärkere Dynamik. Dazu bereiten Wirtschaftsforscher und Experten derzeit ein Programm vor, das sich "Österreich 2025" nennt.

In der Zwischenzeit hilft die heuer in Kraft getretene Steuerreform, die eine Lohnsteuersenkung von fünf Milliarden Euro brachte. Nach aktuellen Zahlen funktioniert diese Steuerreform genauso wie sie beabsichtigt war. Die Konsumausgaben steigen, wie das Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo) veröffentlichte. Und auch der heimische Sparkassensektor kommt zu einem ähnlichen Ergebnis: 39 Prozent der Arbeitnehmer planen demnach, das Geld auszugeben. 14 Prozent wollen noch einen Kredit aufnehmen.

Budgetvollzug bis Juni bestätigt alle Einschätzungen

Der nun vorliegende Budgetvollzug für das erste Halbjahr bestätigt diese Einschätzungen. In den ersten sechs Monaten sind die Einnahmen aus der Lohnsteuer um eine Milliarde auf zwölf Milliarden Euro zurückgegangen. Wie gesagt, die Steuerentlastung liegt auf Jahresbasis bei fünf Milliarden. Der zusätzliche Konsum hat offenbar zu steigender Beschäftigung geführt, sonst müsste das Minus höher sein. Auf der anderen Seite sind die Einnahmen aus der Umsatzsteuer im ersten Halbjahr um 4,1 Prozent oder 527 Millionen auf 13,5 Milliarden Euro gestiegen. Dies zeigt, dass der private Konsum angesprungen sein muss. Denn das Wirtschaftswachstum insgesamt liegt derzeit bei 1,6 Prozent. Die Steuereinnahmen aus Grunderwerbsteuer sowie aus dem Glücksspiel stiegen - wenn auch mit geringeren Beträgen - deutlich zweistellig. Auch dies ein Indiz, dass den Bürgern das Geld heuer lockerer im Börsel sitzt. Trotz der höherer Arbeitslosigkeit sind die Arbeitsmarkt-Ausgaben nur geringfügig gestiegen.

Die Arbeitslosigkeit bleibt der große Wermutstropfen in der aktuell ganz guten Wirtschaftslage. Und spätestens bei diesem Thema richtet sich der Blick auf andere Politikbereiche, etwa Bildung und Forschung, die freilich von Wirtschafts- und Sozialpolitik längst nicht mehr zu trennen sind.

Erst am Freitag präsentierten Infrastrukturminister Jörg Leichtfried und Arbeiterkammer-Präsident Rudolf Kaske eine Wifo-Studie, wonach innovative Unternehmen deutlich stärker wachsen als jene, die mit ihrem bestehenden Geschäftsmodell zufrieden sind. Leichtfrieds Schlussfolgerung: "Mit leistungsfähiger Infrastruktur, gut ausgebildeten Fachkräften und gezielter Forschungsförderung schaffen wir die besten Rahmenbedingungen." Ein schöner Satz, mit dem die Probleme aber erst beginnen.

Um diese drei Bedingungen zu erfüllen, müssen die Ministerien und alle neun Bundesländer an einem Strang ziehen. Das ist nicht der Fall. Solange es neun Länder gibt, die Gesetze unterschiedlich interpretieren und Ministerien, die parteipolitischen Linien folgen anstatt als Kollegialorgan zu handeln, ist dies undurchführbar.

Das sogenannte potenzielle Wachstum könnte in Österreich deutlich höher sein, wenn das - im EU-Vergleich durchschnittlich große Österreich - einheitlichere Regelungen hätte. Neun Bauordnungen verhindern eine Verbilligung des Wohnbaus genauso effizient wie Zinserhöhungen.

Dazu kommt erschwerend eine Art Nicht-Angriffs-Pakt unter den Sozialpartnern. Die Zahl der ausbildenden Betriebe sinkt seit Jahren, doch die Gewerkschaft denkt nicht daran, dies zu einem öffentlichen Thema zu machen. Um diese Defizite auszugleichen, hat sich der heimische Wirtschaftsstandort auf einen Preiswettbewerb eingelassen, die Nettolöhne sanken bis 2015 über viele Jahre hinweg. Die Regierung reagiert seit der Amtsübernahme Kerns deutlicher als zuvor. Start-ups werden gefördert, Innovationen gepriesen. Hier steht - abseits der kaum zu beeinflussenden Globalisierung - das nächste hausgemachte Problem an. Im vollen Risiko stehenden Jungunternehmern einen attraktiven Kredit zu geben, ist Banken mittlerweile fast unmöglich.

Daran trägt die EU und auch die Europäische Zentralbank tatsächlich Verantwortung, auch wenn anzumerken ist, dass im Europäischen Rat Österreich allen Regelungen zugestimmt hat. So wird etwa von den Sparkassen und den Raiffeisenkassen verlangt, dass sie einen - leichter zu beaufsichtigenden - Konzern bilden. Das wiederum führt dazu, dass Entscheidungen nach oben verlagert werden. Dabei weiß wohl jeder einigermaßen verantwortungsvolle Direktor einer örtlichen Sparkasse und Raiffeisenkasse besser, wem er einen Kredit geben kann als ein vor nackten Zahlen sitzender Risikomanager der Zentrale.

Erste-Chef Andreas Treichl sagte in einem "trend"-Interview, dass es künftig vielleicht gar keine Banker mehr braucht, ein Computerprogramm könne entscheiden, ob jemand kreditwürdig sei. Für junge Unternehmen ist das Gift, sie müssen auf den Kapitalmarkt ausweichen. Doch auch der interessiert sich nur peripher für risikoreiche Start-ups. Nun gibt es eine neue Initiative der Regierung, um erst wieder mit öffentlichem Geld und Haftungen solche innovativen Kleinunternehmen aufzupäppeln.

Dabei ist es laut Wifo evident, dass innovative Unternehmen auch am Markt expansiver sind und eher Leute einstellen. Wie aber soll der Sozialstaat Österreich damit umgehen?

"Österreich 2025" muss vieles auf den Kopf stellen

Denn auch hier gibt es eher bürokratische Hindernisse des real-existierenden Österreich denn erfinderische Köpfe. Die Sozialversicherungen können mit solchen Unternehmen, die oft als eine Art Sozietät organisiert sind, schwer umgehen. Sowohl die SVA als auch die Krankenkassen sind auf diese neue Form des Unternehmertums nicht vorbereitet. Denn die Grenze zwischen Selbstständigkeit und Unselbständigkeit verschwimmt.

Und zu guter Letzt überfordert die globale Wirtschaft heimische Strukturen. Landesbehörden sind mit Großinvestitionen wie jener der Voestalpine in Kapfenberg weit überfordert. "Österreich 2025" ist ein ambitioniertes Projekt, das vieles in der Republik in Frage stellen wird müssen.