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Immigranten in Italien kriminalisiert

Von Katharina Schmidt

Europaarchiv
Illegale Migranten müssen in Italien zahlen. Foto: Corbis

Scharfe Kritik auch aus Österreich. | Experte Tatzgern: Schlepper lassen sich nicht abschrecken. | Keine Massenflucht befürchtet. | Wien. In einer Woche, am 8. August, tritt in Italien der letzte Teil der umstrittenen neuen Sicherheitsgesetze in Kraft. Darin enthalten: Schärfere Bestimmungen zum Umgang mit illegalen Immigranten. Auch in Österreich, wo vergangene Woche die Begutachtungsfrist für das neue Fremdenrecht zu Ende gegangen ist, hat die harte Linie der Regierung Silvio Berlusconi für Aufregung gesorgt. So erklärte die außenpolitische Sprecherin der SPÖ, Elisabeth Grossmann, das Sicherheitspaket "entbehrt jeder Menschlichkeit".


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Die italienischen Gesetze sind tatsächlich schärfer als die österreichischen, wie ein Vergleich zeigt:

* Wer künftig illegal nach Italien einreist oder sich dort illegal aufhält, muss mit 5000 bis 10.000 Euro Geldstrafe rechnen. Die Strafverfolgung wird ausgesetzt, wenn der Betroffene Asyl beantragt. Bleibt man nach einem negativen Bescheid trotzdem im Land, ist eine Haftstrafe von bis zu einem Jahr vorgesehen. In Österreich werden hingegen nur die Schlepper bestraft.

* In Italien muss jemand, der einem illegalen Einwanderer eine Wohnung vermietet, mit bis zu drei Jahren Haft rechnen. In Österreich wird das Gesetz in diesem Bereich liberalisiert: Angehörige, die "Beihilfe zum unbefugten Aufenthalt" leisten, werden nicht mehr bestraft. Eine Parallele gibt es: Wer diese Beihilfe gewerbsmäßig gewährt, ist mit bis zu drei Jahren Haft bedroht.

* Der Aufenthalt von Asylwerbern in italienischen Auffanglagern wird von zwei auf sechs Monate verlängert. Mit den österreichischen Erstaufnahmestellen (EASt) für Flüchtlinge sind die permanent überfüllten, riesigen Lager kaum zu vergleichen. Der Aufenthalt in einer EASt in Österreich ist auf die Dauer der Prüfung, ob ein Flüchtling zum Asylverfahren zugelassen wird, beschränkt. Und dieses dauert laut Innenministerium "nur wenige Wochen".

* Schubhaft droht in Italien vor allem dann, wenn nach einem negativen Asylbescheid nicht innerhalb von zwei Wochen Berufung angemeldet wird. In Österreich wird die Schubhaft ausgeweitet - ein massiver Kritikpunkt der Nichtregierungsorganisationen. So ist künftig bei Folgeanträgen, Zuständigkeit eines anderen Staates im Rahmen der Dublin-Verordnung oder Verletzung der Meldepflicht Schubhaft zu verhängen, wenn eine Ausweisung vorliegt oder ein Verfahren eingeleitet wurde.

* Eigene Regelungen für kriminelle Asylwerber - in Österreich sollen diese rascher abgeschoben werden - gibt es in Italien nicht. Allerdings: Illegale Migranten, die eine Straftat begehen, werden höher bestraft als Italiener - eine Regelung, die der italienischen Verfassung wie auch dem EU-Recht widerspricht.

Dass die strengeren italienischen Gesetze zu einer Massenflucht nach Österreich führen könnten, glaubt Gerald Tatzgern, Leiter der Zentralstelle zur Bekämpfung der Schlepperkriminalität im Bundeskriminalamt, nicht. Schon derzeit kämen mehr als 40 Prozent der illegalen Immigranten über die 440 Kilometer lange italienische Grenze nach Österreich. Im ersten Halbjahr 2009 waren das rund 1600 Personen.

Massenbegnadigungen wirken anziehend

Tatzgern ist sicher, dass sich die Schlepper nicht durch strengere Gesetz abschrecken lassen. Ausschlaggebend für die Flüchtlingsströme seien eher faktische Gegebenheiten: Wenn die Beziehung Italiens zu Libyen in einer Hochphase sei, dann sei auch "Lampedusa leer", so der Experte. Generell glaubt er, dass Italien wegen der zahlreichen Massenbegnadigungen in der Vergangenheit auch künftig noch anziehend wirken wird.

Besonders heftig kritisiert er die Kriminalisierung von illegalen Einwanderern in Italien: Dies sei auch aus kriminalpolizeilicher Sicht "absolut nicht sinnvoll", sagt Tatzgern. Besorgt zeigt sich auch das UNO-Flüchtlingshochkommissariat UNHCR. Dass das Thema Migration und Asyl nicht in eigenen Gesetzen, sondern im Sicherheitsgesetz abgehandelt wird, ist für Laura Boldrini, Sprecherin des UNHCR in Italien, "irreführend". Dies würde die "Angst vor Migranten, die in der italienischen öffentlichen Meinung ohnehin sehr groß ist, noch weiter erhöhen", sagt Boldrini zur "Wiener Zeitung".