)
Weisen die Szenarien im Parlament der Niederlande und den Ratsstuben Oranjes paneuropäisch in die Zukunft?
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 7 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Europas Sozialdemokraten waren als erste politische Kraft um Gastarbeiter und Wirtschaftsflüchtlinge bemüht. Im doppelten Sinn: erstens altruistisch, zweitens mit Augenmerk auf künftige Wähler. Um diese zu binden, setzten sie Talente aus deren Mitte auf die Kandidatenliste. So glänzen heute einige ganz hervorragende Abgeordnete in den Parlamenten und Ratsstuben Europas.
Mit dem sprunghaften Anstieg muslimischer Migranten und Flüchtlinge rücken nun aber neue Geister nach. Ihr Auftreten ist vielfach feindschaftlich. Kaum als Kandidaten und Abgeordnete installiert, outen sie sich als Kämpfer nicht für eine bessere, sondern für eine andere Gesellschaft. Derartige Fehlgriffe der Sozialdemokraten entpuppten sich als Eigentor.
So verliert die Arbeiterpartei der Niederlande PvdA (Partij van de Arbeid) seit 2014. Unter anderem, weil mit Selcuk Öztürk und Tunahan Kuzu zwei Türkischstämmige mit Getöse ihre Parlamentsfraktion verließen und mit Denk (türkisch gleichwertig) eine Einwandererpartei gründeten. Willkommener Anlass für den bombastisch inszenierten Trennungsschritt: Mit Milli Görüs (Glückseligkeit) sollte eine türkische Organisation mit Zustimmung der PvdA genauer unter die Lupe genommen werden.
Dass diese Milli Görüs quer durch Europa als islamistisch, antisemitisch und verfassungsfeindlich gilt, konnte ihr Vorhaben nur begünstigen und sorgte zudem für Szenenapplaus so etablierter Medien wie der "Süddeutschen Zeitung", die die Selbst-Outer gar als "Rassistenjäger" feierte. Mit schrillen Tönen und türkischen Wimpeln ging es in den Wahlkampf. Öztürk und Kuzu leugneten den türkischen Genozid an den Armeniern und behaupteten, in niederländischen Kliniken werde bei türkischstämmigen Schwerkranken "der Stecker schneller gezogen". Bei der Parlamentswahl 2017 eroberten sie drei Sitze. Und mit Lobeshymnen für Recep Tayyip Erdogans Offensiven auf den Schlachtfeldern Syriens gewannen sie jüngst bei den Kommunalwahlen dazu.
Dazu sagt Floris Vermeulen, Professor an der Universität Amsterdam: "Immer mehr heimatlose Zuwanderer sehen sich nicht mehr repräsentiert. Über kurz oder lang werden wir Immigrantenparteien als europäisches Phänomen erleben." In Norwegen, Dänemark und Belgien stehen Parteigründungen nach dem Denk-Muster bevor. Ebenso in Schweden, wo die Sozialdemokraten im Ruf von Islam- und Fremdenfeindlichkeit stehen - und das nur, weil sie sich besonders locker geben wollten und Omar Mustafa in den erweiterten Parteivorstand wählten. Dieser wurde wegen antisemitischer, homophiler und frauenfeindlicher Auftritte im Nu untragbar. Wegen Mustafas unabwendbaren Abgangs sind die Sozis nun für Wähler mit Migrationshintergrund islamophob und ausländerfeindlich. Die traditionelle Wählerschaft aber bleibt verschreckt, und so grundeln sie konstant in einem Umfragetief.
So schnell lassen sich aber die niederländischen Zustände, wo Denk mit zwei Prozent der Stimmen drei Parlamentssitze verbuchen konnte, nicht auf Schweden, Österreich, Deutschland und andere übertragen. Dafür sorgen die Vier- beziehungsweise Fünf-Prozent-Hürden für den Einzug ins Parlament.

)
)
)