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Sowohl Apothekerinnen als auch Krankenpflegekräfte fühlen sich fit, mehr Verantwortung beim Impfen zu übernehmen.
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Ruhig und konzentriert sind die Teilnehmerinnen des Kurses bei der Sache, immerhin werden die Apothekerinnen gerade in Stechtechnik beim eigens für die Berufsgruppe von der Kammer durchgeführten Kurs geprüft. Eine macht jeweils den Arm frei für die andere Kollegin. Bei Sandra Böcks Prüfungsstich, die in einer niederösterreichischen Apotheke angestellt ist, ist es Inge Linsmayer, selbstständige Apothekerin im selben Bundesland. Sie verzieht keine Miene. Man würde es unter der Maske auch kaum sehen - und schon ist es wieder vorbei.
Nach absolvierter Prüfung erzählt Böck, dass es "natürlich ungewohnt ist, aber nicht so schlimm wie gedacht. Jetzt wäre ich für die Praxis gewappnet." Wäre, denn anders als in Italien, Dänemark, Großbritannien, Irland, Portugal, einigen Kantonen der Schweiz und ab 8. Februar bundesweit in Deutschland, dürfen Apotheken in Österreich nur Impfstoff verkaufen, aber selbst nach einer zusätzlichen Fortbildung wie dieser nicht auch selbst durchführen.
Eine Impfung stelle eine "medizinische Behandlung" dar, heißt es als Erklärung aus dem Gesundheitsministerium. Grundlage für die Einwilligung zu einer solchen sei "nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshof das persönliche ärztliche Aufklärungsgespräch", deshalb "muss eben eine vorherige Aufklärung durch eine Ärztin oder einen Arzt stattfinden". Aus diesem Grund dürfen Pflegekräfte nur nach Anordnung impfen, Zahnärztinnen und -ärzte zwar einen Stich für eine Betäubung setzen, aber nicht impfen. Die Apothekerkammer versucht das nicht erst seit dem Beginn der Pandemie, sondern bereits seit mehr als fünf Jahren zu ändern. Denn: "Impfen ist ja keine Raketenwissenschaft", ist Susanne Ergott-Badawi aus dem Präsidium der Apothekerkammer überzeugt.

Theorie, Praxis und Erste Hilfe fürs Impfen in der Apotheke
Ergott-Badawi sagt, dass nicht jeder impfen solle, aber "wir haben das Wissen, wie Arzneimittel auf den Körper wirken". Mit Impfungen könnten Apotheken ihr Angebot ergänzen. "Wir wollen auch nicht alle, sondern gesunden Erwachsenen Impfungen gegen Influenza oder FSME anbieten", sagt die Apothekerin. "Und ehrlich, auch beim Boostern mit Covid-Impfstoffen ist nichts dabei."
Magdalena Preis, eine angestellte Apothekerin in Wien, sagt zu ihrer Motivation: "Wir wollen Ärzten keinesfalls ihre Expertise absprechen, sind aber bereit, als Unterstützung mitzumachen." Petra Gabler, angestellte Apothekerin in Wien und Niederösterreich sieht im Impfen ein "niederschwelliges Service": "Wir sind ja Expertinnen für Arzneimittel, sind ja ohnehin im Gespräch mit den Leuten." Auch Inge Linsmayer sieht im Impfen in Apotheken nicht nur einen individuellen Nutzen, sondern einen für die Bevölkerung: "Damit könnte man auch die Impfmotivation steigern und damit die breitere Durchimpfung der Bevölkerung erreichen - auch bei der Influenza-Impfung."

Vor dem Erstellen der Inhalte des Impfkurses habe man international und in Österreich Expertise beigezogen, versichert Ergott-Badawi. Die Kursleitung sind die Ärztinnen und Ärzte aus Deutschland, diese unterrichten auch im Nachbarland. Der Kurs besteht auch zwei Teilen: Unter anderem wird Theoretisches über Immunologie, Impfstoffe, Injektionstechniken und Zubehör wie etwa Nadeln gelehrt. Auch Hygiene, Infektionskrankheiten, gegen die es Impfungen gibt, oder Erste Hilfe käme nicht zu kurz: "Was zum Beispiel bei einem Kollaps zu tun wäre", erklärt Ergott Badawi. Und: "Den EpiPen haben wir ja ohnehin in der Apotheke."
Im Praxisteil werden Erste Hilfe und Impftechniken geübt. Vor dem Arm der Kollegin war auch bei Magdalena Preis der Silikonarm dran, "das war schon eine gute Übung", sagt sie: "Der Widerstand von echter Haut ist aber doch nochmals anders." Seit den Corona-Testungen in den Apotheken, wo sie Stäbchen in die Nase der Testpersonen schiebt, sei Körperkontakt zwar nichts mehr ganz Ungewöhnliches, aber: "Beim Stechen mit einer Nadel geht man nochmals einen Schritt weiter."
Mehrmals weist man von Seiten der Kammer darauf hin, dass der Kurs "im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben" stattfinde, dass die mittlerweile 1.600 Absolventinnen und Absolventen in Österreich aber auch danach nicht impfen, weil sie das nicht dürfen: "Hierfür fehlt derzeit noch die rechtliche Grundlage." Als Ursache dafür, warum es diese noch nicht gibt, vermutet Ergott-Badawi die Durchsetzungskraft der Ärztekammer. Tatsächlich bezeichnete Ärztekammer-Vizepräsident Johannes Steinhart die Forderung, in Apotheken impfen zu dürfen, schon Ende November nicht nur als nicht mehr notwendig, weil es genügend Impfangebote gebe, sondern auch als "unnötige Experimente".
Pflege erhält 55 Euro, Ärztinnen und Ärzte 150 Euro
Impfen sei auch in der gehobenen Pflege Lehrinhalt, theoretische Pharmakologie genauso wie die praktische Umsetzung, erklärt Elisabeth Potzmann, Präsidentin des Österreichischen Gesundheits- und Krankenpflegeverbandes, einer freiwilligen Interessensvertretung dieser Berufsgruppe. Wieder fallen die Begriffe "intramuskuläre Injektionen, subkutane oder intravenös", auch die Pflege übt erst an Silikonarmen und Puppen, bevor sie in der Praxis impft: "50 Prozent der Pflegeausbildung generell findet dann auch in der Praxis statt, wo man das Gelernte am Patienten unter Anleitung und Aufsicht ausführt."
Dass die gehobene Pflege nach dem ärztlichen Aufklärungsgespräch auch in den Boxen vieler Covid-Impfstraßen impft, "war nur in der Quantität etwas Neues". Die Berufsgruppe habe davor auch bei Grippeimpfaktionen dabei unterstützt. Dass Pflegekräfte, die in den Boxen impfen, pro Stunde 55 Euro brutto erhalten, Ärztinnen und Ärzte aber 150 Euro sei "nach wie vor ein großer Diskussionspunkt". Allerdings weniger für das Gesundheitsministerium: Man habe die 150 Euro brutto pro Stunde bei den Impfaktionen außerhalb der Ordinationen in einem "Memorandum of Understanding" mit der Ärztekammer festgelegt. Darin ist auch ein Stundensatz von 90 Euro für Turnusärztinnen und -ärzte vermerkt sowie eine pauschale Abgeltung von 25 Euro für jeden ersten und 20 Euro für jeden zweiten Stich in den Ordinationen. Anders war das bei den Pflegekräften: "Die Festlegung der Tarife für Pflegepersonen erfolgte unter Anlehnung an die sonstigen in den Ländern für ähnliche Tätigkeiten verrechneten Tarife", so das Ministerium.
Um ausreichend Personal für die Covid-19-Impfungen zu erreichen, dürfen in der Pandemie auch Rettungs- oder Notfallsanitäterinnen und -sanitäter auf ärztliche Anordnung und unter ärztlicher Aufsicht impfen. Zudem sei laut Gesundheitsministerium auch die "ärztliche fachspezifische Beschränkung" aufgehoben. Jörg Krainhöfner, Kammeramtsdirektor der Zahnärztekammer, sagt allerdings, dass sich nur eine Handvoll der 5.000 Mitglieder wegen der Möglichkeit zu impfen gemeldet hätte: "Das ist offenbar kein primärer Wunsch der Zahnärzte und aus wirtschaftlichen Überlegungen auch nicht notwendig."
Pflegeexpertin Potzmann geht es allerdings nicht nur um wirtschaftliche Überlegungen. Sie nennt Großbritannien oder auch Nordeuropa, wo Impfen durchaus zu den Aufgaben von Pflegekräften gehört: "Die mobile Pflege kann da auch aufsuchend impfen. Wir kennen die Familien und haben ein Vertrauensverhältnis. Wir könnten auch sonst den Impfstatus erfragen. Das wären auch außerhalb der Pandemie niederschwellige Möglichkeiten, die man sich in Österreich vergibt." Sie regt an, darüber nun zu diskutieren, wo dafür Gesetz und Ausbildung geändert werden müssten. Gute Qualität könnte die gehobene Pflege auch beim Impfen liefern: "Man unterschätzt uns auch hier wie so oft in unseren Kompetenzen."