Über das Internet wird auch der größte Unsinn rasch und weit verbreitet. | Desinformation kommt leider immer wieder auch von | gewissen Ärzten. | Wien. Die neue Impfung gegen Gebärmutterhalskrebs ist laut dem Heidelberger Krebsexperten Harald zur Hausen in Deutschland bisher gut angenommen worden. Die Dreifach-Impfung sei bereits 700.000 jungen Frauen zwischen zwölf und 17 Jahren verabreicht worden, sagte er beim Deutschen Krebskongress in Berlin. Auch die Deutsche Krebsgesellschaft hält an ihrer HPV-Impfempfehlung fest. Je ein Todesfall in Deutschland und Österreich in zeitlicher Nähe zur HPV-Impfung seien tragisch, aber ein ursächlicher Zusammenhang mit der Impfung konnte auch in akribischen Untersuchungen nicht nachgewiesen werden, so der Sprecher der Deutschen Krebsgesellschaft, Peter Hillemanns.
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Tatsächlich ist die Todesursache nicht immer feststellbar: Nach Daten des deutschen Statistischen Bundesamtes tritt jährlich pro 100.000 Frauen im Alter von 15 bis 20 Jahren ein ungeklärter Todesfall auf - also ein Fall ungefähr alle zwei Wochen. Die Krebsgesellschaft geht daher bei dem Todesfall nach der Impfung von einem zufälligen Zusammentreffen unabhängiger Ereignisse aus.
Gewiss lässt sich vor allem im Hinblick auf die Kosten über die HPV-Impfung diskutieren, über ihre Sicherheit und Sinnhaftigkeit aber mittlerweile nicht mehr. Doch von Fakten haben sich Impfgegner - die sich lieber als "Impfkritiker" bezeichnen - noch nie anfechten lassen, wie Wolfgang Maurer, Experte für das Impfwesen an der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendheilkunde am AKH Wien, bestätigt.
Erfolge fallen auf die Impfungen zurück
Im Zuge seiner Internet-Recherchen für einen Fachartikel fand Maurer insgesamt eine kleine, aber gut vernetzte und lautstarke Gruppe von Impfgegnern, deren haarsträubende Argumente durchaus angetan sind, Eltern stark zu verunsichern und ihren Kindern daher nötige Impfungen vorzuenthalten. Das könnte fatal sein, gibt es doch ohnehin bereits eine gewisse Impfmüdigkeit - "die Kinder werden ohnehin schon gegen so vieles geimpft" -, während just die Präventiv-erfolge der Impfungen deren Gegnern in die Hände spielen, erklärt Maurer:
"Masern sind so selten geworden, dass kaum jemand ein Kind mit Masern-Enzephalitis kennt, man sieht keine polioverkrüppelten Kinder mehr auf der Straße. Daher ist die Ernsthaftigkeit und Schwere möglicher Krankheitsbilder aus der Öffentlichkeit vielfach verschwunden." Dazu könnten "Befindlichkeitsstörungen durch Impfungen wie Schmerzen, Schwellungen oder Rötungen zu mitunter schwerwiegenden Hindernissen werden, weiteren Impfungen für das Kind zuzustimmen."
Während sich freilich die Zweifel besorgter Eltern durch ein Gespräch mit dem Arzt relativ leicht ausräumen lassen, suchen die sogenannten Impfskeptiker - sie sind vor allem affirm zu naturwissenschaftsfernen Bereichen wie der Esoterikszene, Sekten oder der Homöopathie, so Maurers Beobachtungen - nach "Informationen", die sie in ihrer Meinung bestätigen. Und finden sie auf den Seiten der Impfgegner zuhauf.
Nachdenklich muss dabei stimmen, dass diese Szene nicht nur von wirren Verschwörungstheoretikern besiedelt ist, die hinter allem die "Pharma-Mafia" vermuten, sondern auch Menschen mit medizinischer oder pharmazeutischer Ausbildung darunter sind. "Leider", so Maurer, "fast ausschließlich homöopathische Ärzte, aber auch Apotheker", die oft "schlicht die Existenz von humanpathogenen Viren bezweifeln."
Alles eins: Viren, Pilze und Bakterien
Als exemplarisch nennt der Experte eine steirische Allgemeinmedizinerin, die neben ihrer "Impfberatung" im Rahmen der Gesundenuntersuchung als Kassenleistung anbietet: Maya-Siegel-Bestimmung, Nummerologie des Namens und Geburtsdatums, Heilstein-Bestimmung, individuelles Lichtgittermandala, kosmische Symbole, Essenzen, Farben, geomantische Testung, Chakra-Heilung etc. - Ihr "Impfskriptum" dürfte nicht nur Biologen verblüffen: "Um ihre Aufgabe optimal erfüllen zu können, können sich nach Bedarf Viren, Bakterien und Pilze ineinander umwandeln."
Da verwundert es kaum, dass einer ihrer Kollegen - ebenfalls in der Steiermark ansässig - nicht nur in einschlägigen Seminaren erklärt, "warum die Impfung gegen Diphterie und Tetanus nicht wirken kann", sondern auch im Internet behauptet, nicht Humane Papillomaviren verursachten Gebärmutterhalskrebs, sondern häufig wechselnde Sexualpartner. Allerdings setzt er als Heilpraktiker (mit einem Link zu Opus Dei) ohnehin mehr auf den Glauben als auf medizinisches Fachwissen und ärztliches Können.
Von Herrn W., der sich "Sprecher der Impfopfer Österreichs" nennt, hatte Impfexperte Maurer bis vor kurzem noch nie gehört. Verständlich, da es eine solche Gruppe nicht gibt. Andererseits durfte W. (Name in dessen Interesse abgekürzt) sogar in der Zeitschrift "Madonna" seine Meinung zur HPV-Impfung zum Besten geben - was ihm offensichtlich nicht genügte, da er sich seither als Schreibe r von pseudowissenschaftlich garnierten Leserbriefen zum Thema hervortut, die vor Unkenntnis wahrlich nur so strotzen.
Verunglimpfung ganzer Berufsgruppen
Da er nicht weiß, dass die Dosis das Gift macht, nennt W. Aluminiumverbindungen in Vakzinen "giftige" Adjuvantien. Maurer: "Wenn dem so wäre, wäre Österreich heute infolge der Hepatitis B- und der FSME-Impfungen eine einzige neurologische Spitalsabteilung." Wohingegen chronische Heptatitisfälle, von denen vor allem das Gesundheitspersonal betroffen war, seit Einführung der Impfung eine Rarität seien.
Nebenher erstellt W. unrichtige postume Diagnosen, unterstellt klagsreif, dass "die Zulassung der HPV-Impfung durch den Einsatz falscher Placebos quasi erschwindelt wurde" und behauptet fälschlich, dass es im Zusammenhang damit keine Studien an Kindern gegeben habe. Die Ärzte seien jedenfalls zumindest unwissend.
Impfexperte Maurer, der die Freundlichkeit hatte, für die "Wiener Zeitung" den Brief im Detail zu korrigieren und zu kommentieren: "Es wäre wünschenswert, wenn sich Herr W. Wissen aus wissenschaftlichen Publikationen aneignet, ehe er hier ganze Berufsgruppen verunglimpft."