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Impfstoff mit Österreich-Komponente

Von Thomas Seifert

Wissen

Das Wiener Bioscience-Unternehmen Themis spielt bei der Entwicklung eines Covid-19-Impfstoffs eine Schlüsselrolle.


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In der Wiener Muthgasse arbeitet derzeit eine Gruppe von rund 40 Wissenschafterinnen und Wissenschaftern gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen in Paris und Pittsburgh an der Entwicklung eines Impfstoffs gegen das Sars-CoV-2-Virus. Schon gegen Ende des Jahres könnte das Serum verfügbar sein.

"Wiener Zeitung": Ihr Unternehmen Themis ist an der Entwicklung eines Impfstoff-Kandidaten beteiligt. Was genau machen Sie?

Erich Tauber: Wir bauen im Labor den Wolf im Schafspelz. Wir gehen von einer Virus-Vektorplattform aus. Wir verwenden den normalen Masern-Virus-Impfstoff und bauen mit gentechnischen Methoden fremde Antigene oder auch fremde Proteine ein. In dem Fall, um den es jetzt - und wahrscheinlich noch viele Monate - geht, machen wir das mit einem bestimmten Oberflächenprotein - dem sogenannten Spike-Protein - des Sars-CoV-2-Coronavirus.

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Das ist also das Protein, das aus dem Virus herausragt, die Kronenspitze?

So könnte man das vereinfacht ausdrücken. Dieses Spike-Protein ist jener Einweiß-Stoff, der auch schon bei den Vorgängern des Sars-CoV-2-Virus vor 15 Jahren als Antigen erkannt wurde. Im Vergleich zu anderen Infektionskrankheiten - wie Malaria, Tuberkulose, HIV - sind wir bei der Entwicklung eines Impfstoffs gegen Sars-CoV-2 im Vorteil. Wir haben eine ganz gute Vorstellung davon, wogegen man den Impfstoff richten muss. Und da tippen wir auf dieses Spike-Antigen.

Sie arbeiten mit dem Virologen Paul Duprex von der University of Pittsburgh und mit dem Institut Pasteur in Paris zusammen. Wie läuft die Arbeitsteilung ab?

Wir arbeiten bei Covid-19 mit einer bisher nie dagewesenen Geschwindigkeit. Wir bauen das Dach gleichzeitig mit dem Keller. Eine der Herausforderungen ist: Wie bringen wir das Spike-Antigen an den Vektor - also an das Masern-Impfstoff-Virus. Themis hat dann die Hauptverantwortlichkeit für die Produktion, klinische Entwicklung und Zulassung. Die University of Pittsburgh wiederum hat Zugang zu Tierprüfungen. Man wird bei Covid-19 ja sehr früh große Bevölkerungsschichten impfen müssen. Da kann man nicht auf jahrelange Beobachtungen warten, wenn man so bald wie möglich tausende oder hunderttausende Menschen impfen will.

Und das Institut Pasteur in Paris?

...hat die Plattform-Technologie erfunden und wir haben eine globale, exklusive Lizenz dafür. In Paris haben sie auch in einem sehr frühen Stadium die Fragestellung bearbeitet, wie man das Antigen in den Vektor - das Masernvirus - einbauen kann.

Was genau macht der Vektor?

Der Vektor ist nichts anderes als der Masern-Impfstoff. Ein Virus selbst lebt ja nicht und kann sich nicht unabhängig von einer Zelle vermehren. Was das Virus tut, ist, dass es in fremde Zellen eindringt und diese Zellen sozusagen hijackt und so - ich sage einmal - umprogrammiert, dass diese Zellen anfangen, das Virus zu produzieren. Was dann im Krankheitsverlauf Probleme macht, ist nicht nur das Virus selbst, sondern die Immunantwort gegen den Eindringling. Die Immunreaktion gegen das Virus ist sehr oft gefährlich heftig. Somit haben wir nach einem Träger gesucht, gegen den es eine ausgewogene Immun-Reaktion gibt. Wir bauen also nur ein Protein des Sars-CoV-2-Virus in den Masernvirus-Impfstoff ein. Die Zellen machen dann aber auch gegen das Spike-Antigen Antikörper.

Darum: "Wolf im Schafspelz". Sie verkleiden also gleichsam das Impfstoff-Masernvirus mit dem Sars-CoV-2-Protein und triggern damit die Immunantwort?

Genau.

Wie sorgen Sie dafür, dass es nicht zum Zytokinsturm, zum gefährlichen Überschießen der Immun-Reaktion kommt, die für einige Patienten so gefährlich ist?

Wir verwenden ja kein ganzes Sars-CoV-2-Virus. Die Gefährlichkeit ist vor allem dann gegeben, wenn das gesamte Sars-Virus im Körper ist. Wir verwenden nur die Sars-CoV-2-Schnipsel, die das Immunsystem braucht, um das Sars-CoV-2-Virus erkennen und eliminieren zu können. Nicht das Sars-CoV-2-Virus ist im Körper, sondern ein mit einem Sars-Protein verkleidetes Masern-Virus. Das gibt dann keine überschießende Immunantwort. Wir verwenden übrigens nicht das wilde, gefährliche Masern-Virus, sondern den - ich sage jetzt mal - "gezähmten" Impfstamm. Der ist abgeschwächt - der gleiche Impfstamm, den sie als Kind bekommen haben.

Angenommen, Ihr Ansatz ist erfolgreich und die Impfung funktioniert gegen Sars-CoV-2 und Sie haben eine Zulassung in der Tasche. Wie schnell kann dann der Impfstoff in ausreichender Menge produziert werden?

Die Hauptschwierigkeit bei all diesen Sachen ist, dass niemand darauf wartet, dass jemand kommt und einem bestimmten Impfstoff produzieren möchte. Bei unserem Ansatz - bei der Verwendung des Masernvirus - hat man den Vorteil, dass alle großen Impfstoff-Hersteller in der Lage sind, ein Masernvirus in großer Menge herzustellen. Wir sind in der Lage, jetzt schon in der Phase-1-Studie rund 200 Dosen Impfstoff herzustellen. Wir werden dann im Sommer bereits 100.000 bis 200.000 Impfstoff-Dosen herstellen können. Das ist mehr als genug als für die klinischen Tests. Wir gehen davon aus, dass wir vor Jahresende schon Millionen von Dosen herstellen können.

Wo ist dann der Flaschenhals? Bei dem Spike-Protein? Beim Masern-Impfstoff-Virenstamm?

Der Flaschenhals ist die reine Herstellungskomponente. Wenn wir jetzt sagen, wir brauchen Millionen von Impfstoff-Dosen, dann brauchen wir eine Fabrik und große Mengen von Materialien. Indem wir den Masernimpfstoff als Träger verwenden, können wir auf eine gut funktionierende und im großen Stil operierende Impfstoff-Infrastruktur zurückgreifen. Wenn es dann um hunderte Millionen von Impfstoff-Dosen geht, dann ist der Flaschenhals bei der Bereitstellung von Spritzen, Impfstoff-Phiolen und dergleichen. Insgesamt braucht man riesige Kapazitäten. In Österreich gibt es übrigens auch in diesem Bereich Kapazitäten: Pfizer hat zum Beispiel in Orth an der Donau ein Impfstoff-Kompetenz-Zentrum, das früher Baxter gehörte. In der unmittelbaren Umgebung gibt es in Bohumil, Tschechien, ein Werk von Praha Vaccines, das dem Serum Institute of India und der Niederländischen Bilthoven Biologicals gehört.

Wie schätzen Sie also den Zeithorizont ein?

Es arbeiten ja relativ viele jetzt an Impfstoffen. Ich gehe davon aus, dass die Industrie mit Jahresende ausreichend viel Impfstoff produzieren kann.

Wie konnte es passieren, dass die Welt so dermaßen unvorbereitet war? Die Experten und Experten haben ja seit Jahrzehnten vor der Gefahr einer Pandemie gewarnt?

Bei der Schweinegrippe war man ja vorbereitet. Man hat Möglichkeiten gefunden, rasch einen Impfstoff gegen die Schweinegrippe herzustellen. Aber dann passierte Ebola. Die Impfstoffentwicklung war für viele Unternehmen ein Millionengrab. Das hat dazu geführt, dass sich in der Zika-Krise und der Mers-Krise keiner der großen Impfstoff Hersteller exponieren mochte. Bei Corona ebenfalls nicht. Eben weil bei der Suche nach dem Ebola-Impfstoff so viel verbrannte Erde hinterlassen wurde. Aber: CEPI - die Coalition for Epidemic Preparedness Innovations - stand jetzt bereit. CEPI hat von Anfang an die Frage gestellt: Was sind die wichtigsten Impfstoffe, die die Welt braucht? Antwort: Lassa, Mers, Nipah, Chikungunya und Rift Valley Fever. Und - ganz wichtig - Disease X.

Disease X?

Die große Unbekannte. Genau. Das Problem dabei: Ein Unternehmen wie Themis müsste jedes Jahr rund fünf Millionen Euro investieren, damit man sofort mit einer Prüfsubstanz starten könnte. Jetzt in dieser Corona-Krise gibt es ein Förder-Problem: Die Förderstufen werden jetzt geflutet mit Förderanträgen. Wenn Sie jetzt einfach die Millionen mit der Gießkanne ausschütten, dann laufen Sie Gefahr, dass auch Scharlatane gefördert werden.

Welche Rolle spielt Österreich als Forschungs- und Entwicklungs-Standort in der Corona-Krise?

Österreich war immer ein guter Life-Science- und Medizin-Standort. Vor rund 20 Jahren ist in Wien ein richtiger Biotech-Cluster entstanden. Da gab oder gibt es Sanofi, Hoechst, Baxter, Pfizer, Roche, Boehringer, Chemie-Linz. Die Firmen hießen damals Intercell, Greenhills. Die Leute meiner Generation kommen aus diesem Cluster. Plus: Auf der MedUni Wien und der Boku Wien gibt es sehr gute Projekte. Ein Problem ist freilich, dass Unternehmertum in Österreich einen anderen Stellenwert hat als in den USA oder vielleicht der Schweiz.