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Immer öfter "made in China". | Sozialstandards bleiben auf Strecke. | Wien. "Die Lieferungen sind gewaltig angestiegen", sagt der Geschäftsführer des Fachverbandes der Bekleidungsindustrie, Franz Pitnik, und nennt Zahlen: Die Direktimporte aus China legten im ersten Halbjahr um 7 Prozent auf 244 Mio. Euro zu - dabei ist jene chinesische Ware, die über Deutschland nach Österreich kommt, gar nicht einberechnet. Sie scheinen in der Statistik als "deutsche Einfuhren" auf. Denn viele in Österreich tätigen internationale Handelsketten beziehen ihre Ware über Deutschland.
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Seit vor eineinhalb Jahren die Handelsbeschränkungen auf Textilien aus China ausgelaufen sind, boomt dort die Bekleidungsbranche. Zuvor regelten Abkommen 30 Jahre lang den Handel mit Textilien zwischen Industrie- und Billiglohnländern. Für manche Produkte wie Blusen und BHs wurden auf Druck Europas die Beschränkungen bis Ende 2007 verlängert. Doch "made in China" lässt sich nicht aufhalten.
Viele Handelsketten verlagerten ihre Produktion und lassen seither in China fertigen. "China bietet billige Kredite an, die Wechselkurse sind günstig - von den Umwelt- und Sozialstandards gar nicht zu reden", meint Pitnik.
Eine jener Provinzen, wo sich in steigender Zahl Betriebe ansiedeln, ist Guangdong im Süden Chinas. Millionen von Näherinnen arbeiten dort viele Stunden mehr und zu einem viel geringeren Lohn, als es das chinesische Gesetz vorschreibt. Doch die Menschen seien auf das Einkommen angewiesen, sagt Yuk Yuk Choi, Mitarbeiterin einer chinesischen Menschenrechtsorganisation, die derzeit in Wien zu Besuch ist. Die Arbeiter, darunter viele Frauen, wüssten wenig über Gesetze und ihre Rechte. "Wir wollen die Menschen darüber aufklären", sagt Choi. Gemeinsam mit anderen Menschenrechtsorganisationen wie der Clean Clothes Kampagne für faire Arbeitsbedingungen (CCK) versucht sie außerdem unabhängige, nicht von den Firmen angekündigte und bezahlte Kontrollen durchzusetzen.
Noch vor wenigen Jahren kümmerte sich kaum jemand um die arbeitsrechtliche Situation in den Zulieferfirmen der internationalen Handelsketten. Der Druck der Konsumenten, Organisationen und internationalen Auftraggebern, die einen Ruf zu verlieren haben, wurde auf die Subunternehmen groß. Kontrolleure bekamen Zugang - allerdings würden diese oft getäuscht oder bestochen, sagen Choi und Pitnik. Arbeitsverträge würden gefälscht oder besser dargestellt, als sie seien. Choi: "Die Fabriksleitung sagt manchen Arbeitern, wie sie auf die Fragen der Kontrolleure antworten sollen. Dafür bekommen sie umgerechnet 2 Euro."
Auch heimische Firmen hätten ein Interesse an Verbesserungen in den Fabriken, sagt Pitnik. Diese würden den Preisdruck spüren. Und der wird laut internationaler Prognosen steigen: Bis 2010 soll der Anteil Chinas an den weltweiten Textilexporten von derzeit 20 auf 50 Prozent steigen.