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"ImPulsTanz" macht dem Tanz ein Ende

Von Verena Franke

Analysen
Ist das Tanz oder Performance? Eine Szene aus "Liquid Loft" von Chris Haring und Jin Xing. Foto: ImPulsTanz

Das Tanztheater entwickelt sich weg vom reinen Tanz. | ImPulsTanz unterliegt dem Trend und zeigt scheinbar Nicht-Tänzerisches. | Ist das jetzt Tanz? Oder eine Performance? ImPulsTanz macht ratlos. Dem Namen nach ein Tanzfestival - zweifellos. Aber die Performances sind nicht erst seit heuer im Vormarsch.


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Rein historisch ist alles klar: Vor 25 Jahren heben der damalige Kulturmanager Karl Regensburger und der Choreograf Ismael Ivo die Internationalen Tanzwochen aus der Taufe. Mit sechs Lehrern und zwanzig Workshops bringen die zwei Organisatoren das Festival zum Laufen. Zielpublikum: alle aktiv und passiv Tanzbegeisterten aller Richtungen. Laien willkommen.

Im Jahr 1988 wagen Regensburger und Ivo den nächsten Schritt: Das erste ImPulsTanz-Festival geht mit Arbeiten von Größen wie Wim Vandekeybus über die Bühne.

25 Jahre später genießen der zum Intendanten mutierte Regensburger und sein Team ihren internationalen Bekanntheitsgrad. Stetiges Besucherwachstum hat das Festival des zeitgenössischen Tanzes anschwellen lassen. Die Zahlen sprechen für sich: Heute verzeichnet ImPulsTanz mehr als 40 Produktionen in 10 Spielstätten und 80 Dozenten in 200 Workshops mit mehr als 5000 Kursbuchungen und rund 3000 Studenten. 2008 konnte der Intendant stolz eine Auslastung von 98 Prozent verkünden; inklusive Vorstellungen, Workshops und Rahmenprogramm.

Das Geflecht, das aus den Begegnungen von tanzbegeisterten Laien, Profis, internationalen Stars als Lektoren und der heimischen Ballett- und Tanzszene entstanden ist, hat offenbar genau das hervorgebracht, was der damalige Wiener-Festwochen-Intendant Klaus Bachler 1991 bis 1996 für die Wiener Festwochen erstrebt hat: Einen europäischen (Tanz-)Theaterarbeitsplatz.

Heute liest sich das Festival-Programm wie das "Who is Who" der internationalen Tanzszene. Vor allem, weil mancher Name selbst beim Tanzinteressierten ein irritiert fragendes "Who?" hinterlässt. Oft scheinen die Projekte fern jeder Zusehertauglichkeit. Das ImPulsTanz-Festival folgt damit allerdings der weltweiten Tendenz im zeitgenössischen Tanz: Installationen und Schauspiel dominieren Aufführungen, die nach herkömmlichen Verständnis kaum als Tanz eingestuft würden. Die Bezeichnung Bewegungstheater anstelle von Tanz wäre wohl passender.

Als Seismograph der internationalen Strömungen kann sich ImPulsTanz dieser Entwicklung nicht verschließen. Dazu gehört auch, Extrempositionen zu zeigen, wie jüngst im Fall von "Description dun Combat" ("Beschreibung eines Kampfes") der französischen Choreographin Maguy Marin: Nach rund einer halben Stunde begannen die noch verbliebenen

Zuschauer, die Mitwirkenden lautstark "Dansez!" ("Tanzt!") aufzufordern. Offensichtlich erwarteten sich die Tanzinteressierten mehr oder zumindest etwas Anderes als ein de facto reines Sprechtheater.

Standing ovations gab es freilich auch - ob von primär Tanzinteressierten, steht auf einem anderen Blatt.

Bedeutende Kunst hat nie kaltgelassen. Zweifellos ist es also begrüßenswert, wenn ein Festival polarisiert. Allerdings: Wenn ein Tanzfestival vor allem Performances und Verwandtes zeigt, erhebt sich früher oder später die Frage des Etikettenschwindels. Wenn der moderne Tanz in eine Richtung geht, die mit Tanz kaum noch etwas zu tun hat, ist es legitim, das Wort Tanz in diesem Zusammenhang anzuzweifeln. Vielleicht wäre es also an der Zeit, ImPulsTanz seinen Inhalten entsprechend umzubenennen.