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Im Jahr 325 soll Nikolaus von Myra am Konzil von Nicäa teilgenommen haben, wagt Univ.-Prof. Reinhold Knoll den Versuch, die Gestalt des Bischofs in einen historischen Kontext zu setzen. "Belegt ist das aber nicht", wirft er aber sogleich selbst ein. Überhaupt sei die Figur des kleinasiatischen Bischofs mehr eine sagenhafte, meint der Soziologe.
Angeblich bewog Nikolaus im 4. Jahrhundert einen Handelsmann dazu, die hungernde Bevölkerung der Stadt Myra mit Getreide zu versorgen - diese Geschichte wurde ebenso zur Legende wie jene von drei Mädchen, deren Mitgift Nikolaus finanziert haben soll. Letztere ist möglicherweise ein Grund dafür, dass der Heilige Nikolaus in den USA als Patron der Bankhäuser gilt.
Durch diese und andere Sagen wurde der Bischof von Myra bereits kurz nach seinem Tod zu einem wichtigen Heiligen der Ostkirche. Nach Westeuropa kam er erst Im 11. Jahrhundert als städtischer Schutzpatron. Im Jahr 1087 stahlen italienische Seeleute seine Reliquien aus Myra und brachten sie nach Bari, das in der Folge zu einem beliebten Wallfahrtsort wurde.
Nikolaus wurde neben seiner Funktion als Patron der Schiffer und Händler auch zu einem Patron der Kolonisation. "Das erklärt, weshalb überall dort, wo im Mittelalter Land gerodet und urbar gemacht wurde, Nikolausheiligtümer zu finden sind", erläutert Knoll. Bereits damals beschenkte man am Nikolaustag, dem 6. Dezember, insbesondere Arme und Kinder.
Allmählich wurde dieser christliche Brauch allerdings mit germanischen Kulten vermischt, und zum gütigen Nikolaus kam in der Folge der Krampus als strafende Gestalt dazu. Bis in die 50er-Jahre des 20. Jahrhunderts war der Auftritt dieses ungleichen Paares eine beliebte Erziehungsmethode, vor allem in bürgerlichen Familien. Im 19. Jahrhundert verschmolzen beide Gestalten teilweise sogar zu einer einzelnen Figur: Knecht Ruprecht belohnte und bestrafte gleichermaßen.
Einen Einbruch erlebte die Nikolaus-Tradition in der Renaissance, erklärt Knoll: "Da hatte man andere Sorgen." Besonders in den protestantischen Ländern verschwand der Nikolaus-Kult - mit Ausnahme Hollands. Von dort gelangte er im 17. Jahrhundert unter dem Namen "Sinta Klaas" durch holländische Kolonisten nach New Amsterdam (das heutige New York).
Dort gab man ihm den Namen "Santa Claus" und verband die osteuropäische Bischofsgestalt mit nordischen Volkserzählungen. Als Ergebnis entstand im 19. Jahrhundert die Legende von einem alten Mann mit magischen Fähigkeiten. "Schlimme Kinder steckte er in seinen Sack, brave belohnte er", erzählt Knoll.
Zeitgleich vollzog sich auch in England ein Wandel: Der aus den USA reimportierte Santa Claus wurde zu Father Christmas, der heute als Weihnachtsmann das Christkind beinahe abgelöst hat.