Weitere Berichte über Steuervereinbarungen von Konzernen mit Luxemburgs Behörden sorgen erneut für Empörung.
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Brüssel/Luxemburg. Mit den jüngsten Enthüllungen rund um die Steuervermeidung internationaler Konzerne hatte der Besuch in Luxemburg nichts zu tun. Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker war in seine Heimat gefahren, um vor dem Europäischen Gerichtshof seinen Amtseid abzulegen - gemeinsam mit den 27 Kommissaren. Gut einen Monat nach ihrem Antritt haben die Mitglieder der Behörde nun die sogenannte Verpflichtungserklärung unterschrieben.
Doch nicht unbedingt deswegen ist das Großherzogtum, dessen Premier und Finanzminister Juncker rund zwei Jahrzehnte lang war, einmal mehr in den Fokus der öffentlichen Aufmerksamkeit geraten. Vielmehr war erneut die kreative Buchführung großer Unternehmen der Grund. Diese Umschreibung für die Tricks der Konzerne zur Verringerung ihrer Steuerlast mag ihre Richtigkeit haben. Doch obwohl die Methoden der Firmen legal zu sein scheinen, sorgen sie für wachsende Empörung.
Geschürt wird sie nun durch weitere Berichte über Steuerflucht. Schon vor gut einem Monat veröffentlichte das Internationale Konsortium investigativer Journalisten (ICIJ) Dokumente, die das Ausmaß der Absprachen zwischen Konzernen und den luxemburgischen Behörden zeigten. Nun nannte es weitere dutzende Unternehmen. Auf der Liste finden sich unter anderem der US-Unterhaltungskonzern Disney und die Microsoft-Tochter Skype. Durch die Verlegung von Geschäftstätigkeiten nach Europa sollen sie hunderte Millionen Dollar gespart haben.
Laut der "Süddeutschen Zeitung" sollen sich die Firmen nicht nur von der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PricewaterhouseCoopers bei der Steuersenkung helfen haben lassen. Auch Prüfer von KPMG, Deloitte sowie Ernst & Young sollen die maßgeschneiderten Vereinbarungen entworfen haben. So habe Disney in Luxemburg eine interne Bank gegründet, die Gewinne mit weniger als einem Prozent versteuerte. Und der Internet-Telefondienst Skype konnte seine Lizenzeinnahmen bis zu 95 Prozent steuerfrei kassieren.
Die Konzerne weisen Vorwürfe zurück. Die Medienberichte seien irreführend, meinte eine Disney-Sprecherin. Microsoft verweist darauf, dass sich der Konzern in allen Ländern an Gesetze halte.
Deren Rechtmäßigkeit betont das Finanzministerium in Luxemburg. Steuerabsprachen werden in etlichen Ländern getroffen, heißt es in einer Stellungnahme. Im Großherzogtum stimmen die Mechanismen mit internationalen und nationalen Regelungen überein - auch wenn sie aus ethischer Sicht in manchen Fällen "zweifelhaft" sein können. Die nun veröffentlichten Dokumente würden sich jedenfalls nicht grundsätzlich von früheren unterscheiden. Wie die Journalisten an die Papiere kommen, sei allerdings "höchst fragwürdig".
Die Finanzbehörden wehren sich ebenfalls gegen die Kritik, sie würden Geheimabsprachen treffen. Zwar seien die Vereinbarungen nicht öffentlich, doch könne ein Land sehr wohl Informationen einfordern.
Ginge es nach der EU-Kommission, sollte es so einen Austausch von Daten künftig automatisch geben. Die Behörde hat bereits angekündigt, bis Anfang des kommenden Jahres einen Gesetzesvorschlag dazu vorzulegen. Demnach würden die Staaten einander Informationen über solche Steuerabkommen zukommen lassen. Das Vorhaben könnte allerdings an den Ländern selbst scheitern: Diese haben nämlich die Gesetzeshoheit über Steuerangelegenheiten, und Änderungen daran erfordern die Zustimmung aller.
Doch ist der Unmut über Steuervermeidung und -flucht in der Zwischenzeit gewachsen, nicht nur in der EU, sondern weltweit. Der Betrugsbekämpfung widmen sich auch internationale Organisationen wie die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. Im Einklang damit versuchen die europäischen Finanzminister, Steuer-Schlupflöcher zu schließen. So beschlossen sie erst am Dienstag, die Verschiebung von Gewinnen aus rein steuerlichen Gründen deutlich zu erschweren.