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In Afghanistan blüht wieder Mohn

Von Veronika Gasser

Politik

Für Drogenanbau in Afghanistan wird 2003 ein Rekordjahr. Es wird mit mehr als 4.000 t Rohopium gerechnet, und damit werden die Werte des Rekordjahres 1999 bei weitem überschritten. Afghanistan ist somit der größte Lieferant von Heroin und Opium nach Europa: Fast 80 Prozent der Suchtgifte werden hier konsumiert, nur 20 Prozent weiterverkauft. Österreichische EU-Parlamentarier bezeichnen die bisherige Drogenbekämpfung als Fehlschlag und fordern nun härtere Bedingungen für die Gewährung der Wiederaufbauhilfe.


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"Die bisherigen Anti-Drogen-Programme in Afghanistan, für die Großbritannien verantwortlich ist, sind fehlgeschlagen." ÖVP-Delegationsleiterin der heimischen EU-Abgeordneten Ursula Stenzel hat die Situation vor Ort erkundet und ist entsetzt in welchem Ausmass der Drogenanbau floriert.

Ihr Kollege Hubert Pirker erläutert im Gespräch mit der "Wiener Zeitung" wieso gerade 2003 mit einer Rekordernte von Mohn zu rechnen sein wird. Schuld am regen Anbau seien die Stillegungsprämien, welche die EU pro Hektar zahlt. Eigentlich hätten sie das Gegenteil bewirken sollen, so war intendiert, dass Bauern ihre landwirtschaftliche Produktion umstellen.

Doch die verlockenden Prämien von 1.750 Dollar pro Hektar haben die Mohnbauern veranlasst erst recht auf Teufel komm raus die Herstellung von Rohopium anzuheizen. Dass es keine funktionierende Kontrolle gibt, erleichtert das illegale Tun. Denn eigentlich ist der Opiumanbau seit Anfang 2002 untersagt, doch alle bisherigen Bemühungen der afghanischen Regierung, den Drogenanbau zu unterbinden, haben versagt. Das ist auch nicht weiter erstaunlich, da bloß 1.000 Mann für den Anti-Drogen-Einsatz zur Verfügung stehen. Und für die lokalen Stammesfürsten ist das Verbot maximal Makulatur.

Damit floss aber ein großer Teil der EU-Hilfe von 320 Mill. Euro für die Jahre 2002 und 2003 in die falschen Kanäle. Insgesamt wurden für fünf Jahre für Wiederaufbau und humanitäre Hilfe von seiten der Union eine Milliarde Dollar zugesagt und vom EU-Parlamen gebilligt. Ein beträchtlicher Teil wurde auch der Drogenbekämpfung gewidmet. Nun fordert Stenzel, dass diese Hilfsmittel der Union nicht mehr bedingungslos ausgezahlt werden. "Die Großzügigkeit muss auch Grenzen haben." Die Parlamentarierin verlangt, dass die EU den politischen Druck auf die Herrschenden in Afghanistan massiv erhöht. "Die sogenannten ,Warlords' müssen entwaffnet und das Gewaltmonopol des Staates muss zurückerobert werden. Bisher ist das leider nicht gelungen."

Sollte dieser Schattenwirtschaft nicht bald der Garaus gemacht werden können, sieht Stenzel schwarz. "Das Drogengeld ist ein globaler Unsicherheitsfaktor. Es ist bekannt, dass sich der internationale Terrorismus damit finanziert." Es müsse endlich sichergestellt weden, dass nicht der Mohnanbau, sondern die Landwirtschaft in den Genuss der Förderungen kommt. Politische Konsequenzen sind gefordert: Das EU-Parlament sollte die Hilfe kontrollieren. Wenn sich die erwartete Wirkung nicht einstellt, sollten die Zahlungen bis auf weiteres eingestellt werden. Nur so könnten die Kriegsparteien zur Raison gebracht werden. "Auf dem Papier klingt vieles wunderbar, doch es gibt einen Schönheitsfehler, das ist die Freiwilligkeit." Stenzel glaubt nur an die Macht des monetären Drucks, mit dem die Situation in den Griff zu bekommen ist. "Es ist ein Wettlauf mit der Zeit."

Denn Afghanistan ist mittlerweile fast vergessen und steht im Schatten des Iraks. Doch alle Geberländer wären aufgeordert ihren Beitrag zu leisten und Bedingungen zu stellen. Während die EU den Verpflichtungen nachkommt, hat Saudi Arabien sich weitgehend zurückgezogen. Für Innenminister Ernst Strasser ist es wichtig, dass die Transportrouten unterbrochen werden. Dazu braucht es jedoch eine besser vorbereitete Grenzpolizei in den Beitrittsländern. Als Transportwege nach Europa werden die Balkanroute - über Iran, Türkei, Bulgarien, Balkanländer, Rumänien und Ungarn - und die Seidenstraße - über Zentralasien, Russland, Polen, Albanien und das Baltikum - genutzt. Doch das Polizei-wesen und der Grenzschutz in den Beitrittsländern lässt noch zu wünschen übrig. "Da sind noch enorme Investitionen von der EU notwendig", sagt Pirker. Auch müsse das Rechtssystem der Erweiterungsländer erst einmal auf EU-Standard gebracht werden. Weder in Polen noch in den baltischen Staaten gebe es effiziente Grenzkontrollen. Dadurch hat der Dorgenschmuggel aber freie Hand. Und die Drogenproblematik ist mittlerweile auch in Osteuropa im Zunehmen. Durch das Wirtschaftswachstum, erklärt Pirker, werden die einstigen Transitländer verstärkt zu Endabnehmern.

Speziell im Baltikum und Polen ist Drogenkonsum nicht mehr auf die Städte konzentriert, auch der ländliche Bereich ist davon betroffen. Daher muss das Übel schon im Ursprungsland Afghanistan in den Griff bekommen werden.