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Politische Krise am Hindukusch schwelt weiter. | Geduld der Amerikaner erschöpft. | Neu Delhi. Die Wahl in Afghanistan scheint nie zu enden: Am 7. November soll nun eine Stichwahl bestimmen, wer künftig Präsident des Landes ist. Zuvor hatte die Wahlbeschwerdekommission ein verheerendes Verdikt abgeliefert: Ein Viertel aller abgegebenen Wahlzettel wurde wegen Fälschung für ungültig erklärt.
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Der amtierende Präsident Hamid Karzai bekam etwa eine Million seiner Stimmen abgesprochen. Sein Herausforderer Abdullah Abdullah verlor etwa 200.000 Voten. Damit kommt Karzai nur noch auf rund 49 Prozent und muss nun in einer Stichwahl gegen Abdullah antreten, falls sich die beiden Kontrahenten nicht doch noch auf eine gemeinsame Regierung einigen und den Wahl-Albtraum beenden.
Die politische Krise am Hindukusch schwelt inzwischen weiter. Die Wahlbeteiligung von etwa 30 Prozent im ersten Wahlgang dürfte in der zweiten Runde noch deutlich geringer ausfallen. Die Afghanen sind nach dem Gezerre der letzten Wochen wahlmüde. Der Winter steht vor der Tür. Manchen Bergregionen können Anfang November schon unzugänglich sein, wenn neu abgestimmt werden soll. Auch wenn die Wahlfälschung in der Stichwahl vielleicht nicht mehr die exorbitanten Ausmaße der ersten Runde erreicht, werden die aufständischen Taliban den Wahlkampf und den Wahltag für Anschläge und Angriffe nutzen, um die Bevölkerung weiter einzuschüchtern. Und es könnten wieder Wochen vergehen, bis ein Resultat feststeht.
Solange würden der Westen und die USA ohne eine legitime Regierung in Kabul dastehen. Das wäre ein Debakel. Denn Präsident Barack Obama muss eine neue Marschroute für Afghanistan festlegen. "Ewig", so hat er angekündigt, könne die USA nicht am Hindukusch bleiben. Jeden Tag verschlingt der Konflikt viel Geld und Menschenleben, ohne dass die Lage am Hindukusch sich bessert. Gesucht wird eine Exit-Strategie:
Doch dafür braucht Amerika die Hilfe der Afghanen, denn diese müssen schrittweise Aufgaben übernehmen, die im Moment die USA und die alliierten Truppen wahrnehmen. Das afghanische Militär und die Polizei müssen aufgebaut und ausgebildet werden. Dies ist nur mit einer halbwegs glaubwürdigen Regierung in Kabul zu schaffen.
Der inzwischen zweitlängste Krieg Amerikas verliert zunehmend an Unterstützung. Führende Demokraten setzen sich von Obama ab: Der Kongress verspüre wenig Lust, noch mehr Truppen für den Afghanistan-Krieg zu bewilligen, warnte die Sprecherin des Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi. Und Vize-Präsident Joe Biden sprach sich für einen stark eingeschränkten Anti-Terror-Einsatz aus und geriet so mit US-Oberbefehlshaber Stanley McChrystal aneinander, der auf eine breiter angelegte Strategie gegen die Taliban dringt. In Sachen Afghanistan findet Obama inzwischen mehr Zuspruch bei republikanischen Haudegen wie John McCain.
Analysten geben der Obama-Regierung noch ein knappes Jahr, um einen Fortschritt in Afghanistan zu erreichen, bevor die Geduld der Amerikaner erschöpft ist. Die Zeit ist knapp. Eine politische Hängepartie am Hindukusch wäre kontraproduktiv. Doch ein Ende der politischen Krise ist nicht in Sicht.