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In Afghanistans Böden schlummern immense Schätze

Von Karl Leban

Wirtschaft

Für einen effizienten Rohstoffabbau fehlt dem Land aber die Infrastruktur. Vor allem China hofft auf neue Quellen und umwirbt nun die Taliban.


Afghanistan könnte wegen seiner Bodenschätze ein reiches Land sein. Die Weltwirtschaft ist schließlich mehr denn je - vor allem auch bei grünen Technologien - auf Rohstoffe angewiesen, und die hat der asiatische Binnenstaat zum Teil in rauen Mengen. Ob es sich nun um derzeit besonders begehrte Rohstoffe wie Kupfer, Lithium und Seltene Erden handelt oder etwa um Eisenerz, Gold und Silber, aber auch um Öl und Gas - all das schlummert in den afghanischen Böden. Den Gesamtwert schätzen Fachleute auf bis zu 3.000 Milliarden US-Dollar (die massiven Schübe bei den Rohstoffpreisen, bedingt durch die kräftige konjunkturelle Erholung von der Corona-Krise, sind da schon miteingerechnet).

Sich den immensen Rohstoffreichtum gezielt zunutze zu machen, wäre für Afghanistan jedenfalls ein Turbo, der seiner seit Langem dahinsiechenden Wirtschaft wieder auf die Beine helfen könnte, wie es bei Beobachtern heißt. Voraussetzung dafür wären freilich politisch stabile Verhältnisse im Land, doch die sind nach der jüngsten Machtübernahme der Taliban vorerst nicht in Sicht.

Keine eigene Bergbauindustrie

Bisher haben es die jahrzehntelangen Kriege sowie die labile sicherheitspolitische Lage unmöglich gemacht, die Bodenschätze in umfangreicher und profitabler Weise zu heben. Dem Land fehlt dafür aber auch die Infrastruktur. So gibt es eine eigene Bergbauindustrie genauso wenig wie ein gut ausgebautes Strom- und Verkehrsnetz. In der Vergangenheit ist nur ein kleiner Teil der Rohstoffvorkommen ausgebeutet worden.

Dass die Taliban Afghanistan nach dem Abzug der Nato-Truppen und damit nach zwei Jahrzehnten nun wieder regieren, hat vor allem China neben anderen Ländern wie Russland, Türkei, Indien, Pakistan und Iran auf den Plan gerufen. Das Reich der Mitte produziert nahezu die Hälfte aller global erzeugten Industriegüter, entsprechend groß ist daher auch sein Hunger nach Rohstoffen. Mit dem neuen Regime in Kabul sieht China nun die Chance gekommen, sich Zugang zu weiteren strategisch wichtigen Rohstoffquellen zu verschaffen.

Diplomatische Offensive

Während westliche Länder nach dem US-Truppenabzug angekündigt haben, mit den Taliban keinesfalls kooperieren zu wollen, will China mit den militanten Glaubenskriegern sehr wohl ins Geschäft kommen. Das würde die Niederlage der USA und Europas am Hindukusch noch bitterer machen. Eine diplomatische Offensive hat Peking bereits gestartet, um die Taliban für eine Kooperation zu gewinnen.

Schon bisher galt China als größter ausländischer Investor in Afghanistan. Im Wettlauf um den Aufbau eines effizienten Bergbausystems hat die Volksrepublik gegenüber anderen Ländern bereits einen gewissen Vorsprung. Für das größte afghanische Kupferprojekt etwa - Mes Aynak (im Umland Kabuls) - hat sich ein chinesisches Firmenkonsortium aus Metallurgical Corp of China und Jiangxi Copper 2008 einen 30 Jahre laufenden Pachtvertrag sichern können.

Viele Begehrlichkeiten

Bei Kupfer, das aufgrund seiner guten Leitfähigkeit bevorzugt in Stromkabeln verwendet und am Weltmarkt immer stärker nachgefragt wird, werden für Afghanistan Ressourcen von rund 60 Millionen Tonnen kolportiert - eine Menge, die zu aktuellen Preisen hunderte von Milliarden Dollar wert ist. Was China und wohl auch andere Großstaaten Asiens nach dem Machtwechsel ebenso besonders im Auge haben dürften, sind die Lithium-Vorkommen des Landes. Lithium wird etwa bei der Erzeugung von Batterien für Elektroautos sowie von Akkus für Notebooks und Mobiltelefone genutzt. Afghanistan soll hier so große Reserven wie Bolivien haben, dem zurzeit die weltweit größten Lithium-Vorkommen nachgesagt werden.

Begehrlichkeiten dürften aber auch die afghanischen Reserven an Seltenen Erden wecken. Diese umfassen 17 Metalle, die zum Beispiel für Computer, Handys, Windturbinen und Batterien gebraucht werden - ebenso für viele Hightech-Waffen. Ein früheres internes Papier der US-Regierung beziffert die Vorkommen auf immerhin 1,4 Millionen Tonnen.

Doch lieber Drogenhandel?

Ob die - unter sich zerstrittenen - Taliban den Willen aufbringen, die natürlichen Ressourcen des Landes mithilfe Chinas und anderer nicht-westlicher Länder auszubeuten, bleibt abzuwarten. Einige Beobachter bezweifeln das. "Diese Ressourcen waren ja auch in den 1990er Jahren schon im Boden und sie (die Taliban) waren nicht in der Lage, sie zu fördern", zitiert der deutsche Auslandsrundfunk DW den Direktor der NGO Counter Extremism Project, Hans-Jakob Schindler. "Man muss skeptisch bleiben, wenn es um ihre Fähigkeit geht, die afghanische Wirtschaft zu entwickeln, oder auch um ihren Willen, das zu tun."

Bisher haben die Taliban vor allem auf den Opium- und Heroinhandel gesetzt, der für gut ein Zehntel der afghanischen Wirtschaftsleistung steht. Der Abbau der Bodenschätze wäre eine große Chance, die Konjunktur anzukurbeln. Möglich ist das aber nur dann, wenn in Afghanistan dauerhaft Frieden einkehrt. Sonst werden China & Co. wohl nicht bereit sein, ihre Investitionspläne auszurollen.