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Handgreiflichkeiten zwischen Wahlhelfern. | Beobachter halten zusätzliches Mandat für Berisha möglich. | Tirana/Wien. In Albanien liegen in der Endphase der Stimmenauszählung für die Parlamentswahl zwischen den verfeindeten politischen Blöcken die Nerven blank: Nach Manipulationsvorwürfen der Mitte-Links-Opposition um Sozialisten-Chef Edi Rama einigte man sich nur mit Mühe darauf, die Wahlurnen, die noch ausgezählt werden müssen, bei Tageslicht und unter Beobachtung von Vertretern der beiden Großparteien nach Tirana zu eskortieren und dort auszuzählen.
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Zuvor hatte das albanische Fernsehen bereits Handgreiflichkeiten zwischen Wahlhelfern beider Blöcke gefilmt: Die Vertreter von Sozialisten (PS) und der regierenden Demokraten (PD) waren mit Stühlen aufeinander losgegangen. In einem Fall soll die zentrale Wahlkommission sogar die Polizei angefordert haben.
Das bisher vorliegende Ergebnis brächte nach Berechnungen von NGOs einen Gleichstand von 70:70 Mandaten und damit ein politisches Patt. Besonders heikel ist vor allem die Auszählung der Stimmen in den Gebieten Mittelalbaniens, die keinem der Lager eindeutig zugerechnet werden können. Nach Schätzungen von Beobachtern ist es wahrscheinlich, dass dabei noch ein Mandat zu Sali Berishas Demokraten wandern könnte, dieser also im Parlament über eine hauchdünne Mehrheit von 71:69 Mandaten verfügen würde.
Eine Pattsituation ist auch in erfahrenen Demokratien nicht gerade der Stoff, aus dem Polit-Träume sind. Erst recht nicht in Albanien, einem Land, durch das seit Jahren ein tiefer Graben geht. Ideologische Differenzen spielen dabei nach Ansicht von Beobachtern allerdings kaum eine Rolle: So könnte es sich keine albanische Regierung leisten, vom alle vereinenden Kurs einer Westbindung des Landes in die Strukturen von Nato und EU abzurücken. Premier Sali Berisha hatte im Wahlkampf auch intensiv mit seinen Kontakten zu westlichen Politikern geworben.
Nur Elitenwechsel
Ein politischer Wechsel von Berisha zu Sozialisten-Chef Rama brächte nach Ansicht von Experten denn auch eher einen Eliten- als einen Politikwechsel: Wie 2005, als Berisha - unter dem Wahlslogan "mit sauberen Händen" - nach massiven Korruptionsskandalen der sozialistischen Vorgängerregierung ans Ruder kam. Heute ist seine Regierung selbst in einige Skandale verwickelt.
Der Kampf um Posten für die eigene Klientel wird dabei ohne Glacéhandschuhe ausgefochten: "Wie Skanderbeg die Türken" wolle er Edi Rama fertigmachen, hatte Berisha im Wahlkampf sich mit dem Helden des mittelalterlichen Albanien verglichen.