Es gibt fraglos in Österreichs Politik deutlich wichtigere Probleme als die Sanierung des hohen Hauses um budgetierte 300 Millionen Euro. Das sind nach altem Geld zwar auch immerhin vier Milliarden Schilling, und nach der Skylink-Formel werden es am Ende wohl eher 600 Millionen sein; aber bitte, man gönnt sich ja sonst nichts. Und doch verdient das Bauprojekt ernsthaftere Aufmerksamkeit, weniger der Beträge wegen, sondern weil es die Geisteshaltung der amtierenden Regierung so beispielhaft widerspiegelt.
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Da war anfangs allen Verantwortlichen klar, dass eine Sanierung notwendig ist, weil es den Abgeordneten schon mal durchs lecke Dach reinregnet. Doch sobald das Projekt publik wird und kleinliches Gemurre in manchen Medien anhub, wird das Notwendige zum politischen Risiko. Statt dem Wähler selbstbewusst zu erklären, dass Parlamentarismus eben auch ein regenfestes Parlamentsgebäude benötigt, wird scheinheilig anbiedernd populistisch herumgeeiert: Brauchen wir das wirklich? Könnte ja auch noch ein paar Stimmen von ein paar Doofen bringen.
Wie sollen Politiker, die nicht einmal Führungskraft genug haben, ohne langes Herumeiern die Notwendigkeit der Sanierung des Parlamentes zu argumentieren, die Kraft aufbringen, die Notwendigkeit der Sanierung von Budgets, Pensionssystem oder Bildungswesens zu argumentieren?
Dass nun doch renoviert wird, dürfte mehr der Statik als dem Mut der Regierenden geschuldet sein. Doch der reicht nicht einmal annähernd, den interessanten Vorschlag des renommierten österreichischen Architekten Wolfgang Prix aufzugreifen. Dieser hat gerade für 500 Millionen das supermoderne neue Gebäude der EZB in Frankfurt geplant und plädiert für einen Neubau des Parlamentes, statt den alten Kasten zu renovieren. Und zwar am besten am Wiener Heldenplatz.
Eine wirklich tolle Idee: Der Neubau wäre nicht (wesentlich) teurer, böte der Republik aber die einmalige Chance, ein offenes, transparentes, Lust auf Moderne und Zukunft symbolisierendes Herz der Demokratie zu schaffen. Und kein Platz wäre dafür besser geeignet als der Heldenplatz, dessen Stigma derartige Symbol architektur kraftvoll entgegentreten könnte.
Aber schon der Gedanke daran, dass ein derartiger Neubau in der Öffentlichkeit zweifellos kontroversiell diskutiert würde, lässt den Verantwortlichen die Haare zu Berge stehen: Die Vorstellung, das Umsägen von ein paar Bäumen verantworten zu müssen, überfordert sie völlig.
Auch das entspricht völlig dem derzeit dominierenden Politikstil. Ein bresthaft gewordenes System durch ein völlig neues zu ersetzen, übersteigt die Möglichkeiten des agierenden Personals in jeder Hinsicht; stattdessen wird daran herumgebastelt und neu gestrichen, solange das irgendwie geht.
Das supermoderne neue Parlament wird übrigens trotzdem gebaut. Allerdings in Albanien, dort ist die Politik offenbar mutiger. Der Architekt heißt Wolfgang Prix.