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In aller Abgeschiedenheit

Von Matthias Nagl

Politik
Vom Hotel Alpina blieb nur noch das mit Gaffaband überklebte Schild.
© Matthias Nagl

Die Bundesländer brauchen dringend Plätze für Asylwerber. Die Quartiersuche führt oft in abgeschiedene Gegenden.


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Unken. In Traiskirchen ist wieder die Vierstelligkeit erreicht worden. Mehr als 1000 Flüchtlinge sind im Erstaufnahmezentrum gemeldet, sie warten darauf, irgendwo in Österreich untergebracht zu werden. Doch es staut sich. Die Bundesländer sind säumig, sie erfüllen die mit dem Innenministerium vereinbarte Quote nicht. Wieder einmal. Deshalb will nun auch die Volksanwaltschaft prüfen. Warum diese Thematik ständig wiederkehrt, zeigen Beispiele aus Salzburg und Tirol.

Das Alpina in Unken im Pinzgau ist kein Hotel mehr. Mit silbernem Gafferband ist der Wegweiser an der Saalachtal-Bundesstraße in Salzburg überklebt. Statt "Hotel Garni" und "Jausenhütte" steht nur mehr "Alpina" auf dem grünen Schild. Seit vier Monaten schlafen im Alpina keine Urlauber mehr, sondern Asylwerber, aktuell sind es 30, hauptsächlich Männer, mehrheitlich aus Afghanistan, die hier wohnen, rund 35 Kilometer von der Stadt Salzburg entfernt auf der anderen Seite des kleinen deutschen Ecks.

Noch vor ihrer Ankunft sorgten die Asylwerber für große Aufregung in Unken. Die Eröffnung des Quartiers war heftig umstritten, doch mittlerweile hat sich die Aufregung gelegt. Es herrscht weitgehend friedliche Koexistenz, kaum jemandem in Unken fällt etwas Negatives zu den Asylwerbern ein. "Es hat einige kleinere Vorfälle gegeben, die wir in Gesprächen mit dem Betreiber aber beheben haben können", sagt Bürgermeister Hubert Lohfeyer.

"Ich habe keine Probleme, mir legt niemand etwas in den Weg", sagt eine Anrainerin, die ein paar Häuser neben dem Asylquartier wohnt. "Ich höre nichts und sehe nichts. Was soll ich schimpfen, wenn ich nichts zu schimpfen habe", fragt die Frau. Doch gerne sprechen hier die wenigsten über dieses Thema, und seinen Namen will im Zusammenhang mit den Asylwerbern kaum jemand nennen. Das liegt auch daran, dass sich die Unkener weniger an den Asylwerbern selbst als am Ablauf der Quartiereröffnung stoßen.

Nach massiven Protesten hatte die zuständige Landesrätin Martina Berthold von den Grünen im Jänner zu einer Informationsveranstaltung geladen. Dort wurde bekannt, dass der Vertrag mit dem Quartierbetreiber bereits zwei Tage vor der Veranstaltung unterzeichnet wurde, eine gute Woche später kamen dann schon die ersten Asylwerber. "Die ganze Veranstaltung war eine Märchenstunde", sagt eine Unkener Unternehmerin zur "Wiener Zeitung".

Entrüstung in Unken, Rückzug in Eben

Über die Bedenken der Gemeinde sei "einfach drübergefahren" worden, sagt sie, und das habe viele Unkener verärgert. Als Beleg dafür lässt sich auch das Ergebnis der Gemeinderatswahl ein Monat später heranziehen. Die FPÖ, die schärfste Kritikerin des Quartiers, wurde mit 39,6 Prozent stärkste Partei. Zwar ist Unken seit jeher ein guter Boden für die Freiheitlichen, derartige Zahlen erreichte die Partei davor allerdings nur in den siebziger Jahren, als die FPÖ zweimal stärkste Kraft wurde. Verhindern konnten die Freiheitlichen das Quartier dann aber genauso wenig wie Bürgermeister Lohfeyer von der ÖVP.

Seinem Amts- und Parteikollegen, Herbert Farmer, ist Ähnliches in Eben im Pongau dagegen gelungen. Dort wiederholte sich im April das Empörungsszenario aus Unken auf beinahe die gleiche Art und Weise, inklusive einer emotionsgeladenen Informationsveranstaltung. Auch in Eben sollte ein Quartier für bis zu 50 Asylwerber eröffnet werden.

Landeshauptmann stellt sich gegen Landesrätin

Vergangene Woche zog der Quartierbesitzer seinen Antrag an das Land Salzburg dann aber zurück. Er hätte die Dimension des Projekts und den Widerstand der Bevölkerung dagegen unterschätzt, sagte Bürgermeister Farmer zu den Rückzugsgründen des Quartierbetreibers.

Schon zuvor hatte Landeshauptmann Wilfried Haslauer seine grüne Landesrätin zurechtgewiesen. Die bisherige Vorgangsweise des Landes sei falsch gewesen, die Ängste der Bevölkerung und die Widerstände der Bürgermeister gerade in kleinen Gemeinden müssten ernst genommen werden, sagte Haslauer und kündigte kleinere Wohneinheiten in mehreren Gemeinden an, auch wenn diese etwas mehr kosten würden.

Damit beschert er seiner Regierungskollegin zusätzlich Arbeit, denn auch mit den aktuellen Großquartieren liegt Salzburg aktuell rund 120 Plätze unter der vereinbarten Quote und ist damit eines der nachlässigsten Bundesländer. Die geringen Kostensätze für die Betreuung von Asylwerbern spielen für die aktuelle Betreuungssituation in Salzburg auch eine Rolle. Denn unverhältnismäßig viele Asylwerber sind in besonders entlegenen Gegenden, etwa im Pinzgau und im Lungau, untergebracht. Dort sind die Wohnungskosten vergleichsweise niedrig, und zudem sind die Verdienstchancen im Gastgewerbe relativ gering.

Unken ist puncto Abgeschiedenheit aber ein Extrembeispiel, zumindest für die Asylwerber, weniger für die Einwohner. Denn ein Bus bringt Letztere in einer knappen Stunde bis in die Stadt Salzburg, allerdings fährt der Bus dabei über das kleine deutsche Eck. Asylwerber dürfen Österreich aber nicht verlassen, deshalb kommt dieser Weg für die in Unken untergebrachten Asylwerber nicht in Frage. Sie müssen über Zell am See und mit Bus und Bahn praktisch durch das ganze Land Salzburg fahren, um in die Landeshauptstadt zu kommen.

Das dauert dann mehr als drei Stunden und kostet ein Vielfaches. Auch das ist ein Grund, warum Bürgermeister Lohfeyer die Asylwerber in Unken nicht gut aufgehoben sieht. "Sie haben hier einfach relativ wenig zur Verfügung", sagt er. Das vormalige Hotel an einer vielbefahrenen Bundesstraße an einer der engsten Stellen des Saalachtals liegt nicht dort, wo Touristen gerne ihren Urlaub verbringen. In unmittelbarer Umgebung zur jetzigen Unterkunft für Asylwerber stehen zwei ehemalige Gastbetriebe leer.

Bürgermeister Lohfeyer setzt auf die Vorstellungen von Landeshauptmann Haslauer. Ein bis zwei Familien kann er sich in seiner Gemeinde sehr gut vorstellen. Weniger Asylwerber könnte man auch viel besser beschäftigen, beispielsweise in Vereinen. "Dann würde es auch viel besser funktionieren, sie zu integrieren", sagt Lohfeyer.

Asylwerber statt Polizisten sorgen für Protest

Probleme mit den eben sehr abgelegenen Großquartieren gibt es aber nicht nur in Salzburg. In Tirol stieß die zuständige Landesrätin Christine Baur, sie ist ebenfalls von den Grünen, in Gries am Brenner auf erbitterten Widerstand, als bekannt wurde, dass dort ein Quartier für Asylwerber geplant sei.

Da auch in etwa zur selben Zeit bekannt wurde, dass Gries im Rahmen der Polizei-Strukturrefom mit Jahresende seinen Polizeiposten verlieren würde, fielen die Reaktionen umso schärfer aus. Mittlerweile hat Baur, natürlich ebenfalls bei einer emotionsgeladenen Informationsveranstaltung, angekündigt, weniger als die ursprünglich geplanten 50 Asylwerber in Gries unterbringen zu wollen. Doch auch Tirol braucht dringend Plätze für Asylwerber, denn das Land ist bei der Quotenerfüllung überhaupt Schlusslicht.

Vergangene Woche hat die Tiroler Landesrätin neuen Handlungsspielraum bekommen. Ein Quartier für 100 Personen wird in Fieberbrunn von einem Landesquartier in eine Bundesbetreuungsanstalt umgewandelt. Das Gebäude ist ähnlich entlegen wie jenes in Unken, weshalb es Baur ursprünglich auch schließen wollte. Doch nun wandert dieses Problem weiter zum Bund. Dafür will die Landesrätin die aktuell in Fieberbrunn untergebrachten Asylwerber in anderen Häusern einquartieren und Tirol damit ein Stück näher zur Quotenerfüllung bringen. Von Innenministerin Johanna Mikl-Leitner bekam Baur für dieses Vorhaben Lob.

Die Ministerin glaubt, dass auch die anderen Länder entsprechende Bemühungen zeigen werden, ihre Quoten zu erfüllen. Nimmt man jedoch Unken, Eben und Gries als Maßstab, werden diese Bemühungen nirgendwo politisch leicht fallen.