Wenn die jüngsten Meinungsumfragen nicht völlig daneben liegen, wird es bei den katalanischen Regionalwahlen am kommenden Sonntag erstmals nach der Wiederherstellung des Autonomiestatuts in den Siebzigerjahren zu einem Machtwechsel in der reichsten Region der iberischen Halbinsel kommen. Nach einer am letzten Wochenende von der Zeitung "El Pais" veröffentlichten Umfrage liegen die katalanischen Sozialisten (PSC) rund 2 Prozent vor den bisher tonangebenden gemäßigten Nationalisten der Convergencia i Unio (CiU). Doch könnte das Wahlrecht wie schon bei der letzten Wahl im Jahr 1999 die PSC benachteiligen und es könnte auch zu einem Patt kommen. Der Wahlabend in Barcelona verspricht jedenfalls spannend zu werden.
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Als Favorit für die Nachfolge des nach 23 Jahren Amtszeit scheidenden Präsidenten der regionalen Regierung (Generalitat), Jordi Pujol, gilt der Listenführer der PSC, der frühere Bürgermeister von Barcelona, Pasqual Maragall, der von allen Parteiführern Kataloniens die meiste Zustimmung findet. Im direkten Vergleich mit dem neuen Listenführer der CiU, Artur Mas, liegt Maragall in allen Punkten voran, vor allem wenn es um Führerschaft , bessere Vorbereitung auf das Amt und den Willen zum Wechsel geht. 25,6 Prozent trauen Maragall eher zu, dass er die Probleme, die ihnen am meisten am Herzen liegen - Arbeitsplätze, Einwanderung, Wohnbau - besser lösen würde als Mas, von dem das nur 18 Prozent glauben. Dem Kandidaten der Volkspartei, dem früheren Außenminister Josep Pique, gestehen überhaupt nur 7,4 Prozent Kompetenzen in diesen Fragen zu.
Nach der von "El Pais" veröffentlichten Umfrage werden aber beide große Parteien an Wählerzustimmung einbüßen. Der CiU wird ein Stimmenanteil von 32,5 Prozent und ein Mandatsstand von 47 bis 49 vorausgesagt. 1999 entfielen noch 37,7 Prozent der Stimmen auf die Regierungspartei und 56 Mandate. Die Sozialisten kommen laut dieser Umfrage auf 34,5 Prozent und 48 bis 50 Sitze (1999: 37,8 und 52 Mandate).
Große Sieger werden - immer für den Fall dass die Umfragen auch stimmen - die Republikanische Linke Kataloniens (ERC), die ihren bisherigen Stimmanteil von 8,6 auf 12,5 Prozent und damit ihren derzeitigen Mandatsstand von 12 auf 17 bis 19 Sitze ausbauen könnte, sowie die Grünen (ICV-EUiA), denen mit 6,5 Prozent Stimmenanteil ein Zugewinn von 4 Prozent und eine Aufstockung der Mandate von bisher 3 auf künftig 7 zugetraut wird.
Eher schwach bleibt in Katalonien hingegen die Volkspartei, die 1999 auf 9,5 Prozent der Stimmen und 12 Mandate gekommen war. Die Umfrage sieht für die PP-Liste gerade einen Zugewinn von einem Prozent und einem Mandat voraus. Und ihr Listenführer Josep Pique hat auch mit heftigem Gegenwind zu kämpfen. Zwar wird er von Regierungschef Jose Maria Aznar und ehemaligen Ministerkollegen kräftig in seinem Wahlkampf unterstützt, aber genau an dem Tag, an dem er seine Vorstellungen für die Senkung regionaler Steuern an die Öffentlichkeit bringen wollte, pfuschte ihm sein Parteikollege auf dem Bürgermeistersessel in Madrid, Alberto Ruiz-Gallardon, heftig ins Geschäft, indem er die Anhebung einiger kommunaler Steuern ankündigte. Pique war darüber so verärgert, dass er ein Zusammentreffen mit Ruiz-Gallardon in dieser Woche in Barcelona absagte.
Da eine Fortsetzung der bisherigen Koalition von CiU und PP angesichts der Umfragen unwahrscheinlich ist, richten sich schon jetzt alle Augen auf die künftige Regierung. PSC-Chef Pasqual Maragall könnte mit Unterstützung der Republikanischen Linken und der Grünen ein neues Kabinett bilden, doch der Führer der ERC, Josep Lluis Carod, hat im Wahlkampf schon die Bildung einer Konzentrationsregierung aller katalanischen Kräfte - also ohne Volkspartei - vorgeschlagen, da es unbedingt notwendig sei eine breite Basis für die Reform des katalanischen Autonomiestatuts zu finden. Diese Reform befürworten immerhin 54 Prozent der Katalanen, nur 20,7 Prozent sind dagegen.