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In Berlin und Potsdam wird gegen den nach 1933 ernannten Ehrenbürger mobil gemacht

Von Jürgen Petzold

Politik

Berlin - 70 Jahre nach der Machtergreifung Hitlers sorgt in Berlin und Potsdam ein Mann noch einmal für Wirbel, der maßgeblichen Anteil an der Errichtung der Nazi-Diktatur in Deutschland hatte: In den beiden Städten wird dieser Tage leidenschaftlich diskutiert, ob dem früheren Reichspräsidenten und Generalfeldmarschall Paul von Hindenburg die Ehrenbürgerwürde aberkannt werden soll.


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Immerhin geht die Auszeichnung in Berlin auf eine Initiative der NSDAP zurück. Die hatte nach dem 30. Jänner 1933 dafür gesorgt, dass Hindenburg als Unterzeichner des "Ermächtigungsgesetzes" gemeinsam mit Hitler in mehr als 4000 Gemeinden Ehrenbürger wurde. So stehen Berlin und Brandenburgs Landeshauptstadt mit der Causa Hindenburg keineswegs alleine da.

Der Fall ist so verzwickt, weil Hindenburgs Rolle zwiespältig war: Der durch die Verteidigung Ostpreußens gegen Russland populär gewordene Heerführer des Ersten Weltkriegs hatte als Chef der Obersten Heeresleitung 1918 die deutschen Truppen in die Heimat zurückgeführt. Doch als späterer zweiter Reichspräsident der Weimarer Republik agierte er - wenn auch zögernd - als Steigbügelhalter Hitlers: "Er war das willfährige Werkzeug der Nazis", bemängelt die kulturpolitische Sprecherin der Grünen, Alice Ströver.

Die Berliner Grünen haben die Initiative zur Ent-Ehrung Hindenburgs auf den Weg gebracht und beißen sich daran die Zähne aus. Denn nicht zuletzt die regierende SPD will bei der Streichaktion nicht mitmachen und verweist darauf, dass die Honoratioren-Liste der deutschen Hauptstadt mancherlei umstrittene Namen enthalte - weshalb ein einzelner Schnellschuss keinen Sinn habe. "Es ist problematisch, wenn man Stück für Stück einen rausgreift und sagt: der muss jetzt raus", meint der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion, Christian Gaebler.

Der Kulturausschuss des Abgeordnetenhauses wird sich zwar mit dem Fall Hindenburg befassen. Doch weil außer der PDS keine Partei Unterstützung für das Grünen-Vorhaben erkennen lässt, dürfte aus der symbolträchtigen Streichaktion zum 70. Jahrestag der Nazi-Machtergreifung nichts werden. Ähnlich sieht es in Potsdam aus: Dort hat die links-alternative Fraktion "Die Anderen" den Aberkennungsantrag in der Stadtverordnetenversammlung eingebracht, doch der wurde erst einmal an den Hauptausschuss verwiesen. Das Gremium tagt aber erst wieder im Februar. Hindenburgs Rolle solle von Fachleuten "im Kontext seiner Zeit" bewertet werden, hieß es zur Begründung der Vertagung.

Dabei hat gerade Brandenburgs Landeshauptstadt allen Grund, sehr gründlich über den umstrittenen Ex-Präsidenten nachzudenken. Denn Potsdam war der Ort, wo sich Hindenburg und Hitler am 21. März 1933 die Hand reichten. Andere Kommunen, die zu Hindenburg keinen so engen Bezug haben, machen wegen der Ehrenbürgerwürde nicht so viel Aufhebens. Bitterfeld in Sachsen-Anhalt etwa hat dem überzeugten Monarchisten schon 1990 die zur NS-Zeit erteilte Ehrung aberkannt. In den meisten anderen Städten hingegen ist einfach der Status quo von einst beibehalten worden.

Dabei haben insbesondere jene Städte keine Bauchschmerzen, bei denen die Ehrung auf die Zeit vor 1933 zurückgeht: Dazu gehören Hamburg, Duisburg oder Karlsruhe, die bereits zwischen 1915 und 1917 den damals beliebten Feldherrn ausgezeichnet hatten. Und selbst in Stuttgart, wo die Ehrung 1933 stattfand, ist der Fall Hindenburg kein Thema, wie es aus dem Rathaus heißt. Schließlich, so eine lapidare Notiz in der Ehrenbürgerliste der Landeshauptadt, war er "einer der populärsten deutschen Heerführer im Ersten Weltkrieg".