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La Paz - In Südamerikas Armenhaus Bolivien machen sich zwei Ex-Präsidenten daran, das Land für weitere fünf Jahre mit durchaus bekannten Rezepten zu regieren. Zum neuen Staatschef bis 2007 wird das Parlament am Sonntag aller Voraussicht nach den konservativen Politiker Gonzalo Sanchez de Lozada von der Nationalen Revolutionären Bewegung (MNR) wählen. Der Kampf gegen die illegalen Kokafelder und der Widerstand der Kleinbauern könnte dem Land jedoch bald wieder gewaltsame Auseinandersetzungen bescheren.
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"Goni", wie er sich selbst nennt, hatte bei der Wahl am 30. Juni mit 22,6 Prozent zwar die meisten Stimmen erhalten, die für einen Sieg in der ersten Runde notwendige absolute Mehrheit jedoch verfehlt. Um sich in der Stichwahl im Parlament gegen den mit 20,94 Prozent überraschend zweitplatzierten Führer der Koka-Bauern, Evo Morales, durchzusetzen, sicherte sich Goni im letzten Augenblick die Stimmen der sozialdemokratischen Bewegung der Revolutionären Linken (MIR).
MIR-Kandidat und Ex-Präsident Jaime Paz Zamora erhielt 16,31 Prozent. Beide zusammen können damit am Sonntag auf 88 der insgesamt 157 Parlamentarier rechnen. Der eigentliche Favorit, Manfred Reyes Villa, landete auf Platz 3 und wird die Oppositionsbank drücken müssen.
Sanchez de Lozada und Zamora stellten einen Plan vor, der eine Fortsetzung der neoliberalen Wirtschaftspolitik vorsieht. Auch die in Bolivien grassierende Korruption soll bekämpft und die Armut vermindert werden. Die Mehrheit der Bolivianer macht sich aber kaum noch Illusionen über die Qualität ihrer politischen Führer. Umfragen zufolge haben die Justiz, die Polizei und die politischen Parteien das schlechteste Ansehen. Ganz oben in der Gunst der Menschen steht die katholische Kirche.
Morales wird das Präsidentenamt nicht erobern können, aber mit mehr als 20 Prozent der Stimmen ist er ein kaum zu ignorierender Faktor. Schon während der vergangenen Legislaturperiode hatte er mit seinen straff organisierten Bauern das Land wiederholt lahm gelegt. Die Regierung setzte schließlich das Militär gegen die Demonstranten und Straßenblockierer ein, und es gab Tote und Verletzte auf beiden Seiten. Morales wurde schließlich sogar aus dem Parlament ausgeschlossen.
Morales ist gegen die Einschränkung des Koka-Anbaus auf bestimmte Gebiete und will vor allem in der Urwaldregion Chapare die Freigabe zum Anbau des Strauches, aus dessen Blättern die Rohmasse für Kokain gewonnen wird. Damit aber würde sich das schwache Land auf Kollisionskurs mit dem mächtigen Bruder im Norden, den USA, begeben. Sollte Morales gewählt werden, sei die US-Wirtschaftshilfe gefährdet, hatte der US-Botschafter in La Paz, Manuel Rocha, noch kurz vor der Wahl gedroht und Morales damit vermutlich noch mehr Stimmen verschafft.
Eine Legalisierung der Drogen wolle jedoch auch Morales nicht wirklich, meint der Politologe Felipe Mansilla. "Dann würde der Koka-Preis sicher noch unter den von Tee sinken. Bisher könne kein alternatives Produkt wirtschaftlich mit der Koka konkurrieren. Die genügsame Pflanze werfe 10 bis 15 Mal mehr Geld ab als Bananen oder Zitrusfrüchte. "Offiziell gilt die Koka als illegal, aber faktisch wird sie toleriert. Und da machen nicht nur die Bauern, sondern auch der bolivianische Staat und die Konsumentenländer des Nordens mit", glaubt Mansilla.