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In Chile droht ein Rechtsruck

Von Rafael Urbina

Politik

Wenn die Chilenen am Sonntag ein neues Parlament wählen, könnte das den Anfang vom Ende der Mitte-Links-Regierung von Präsident Ricardo Lagos einläuten.


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Der Urnengang, bei dem alle 120 Sitze im Abgeordnetenhaus und 18 der insgesamt 38 Senatorenposten im Oberhaus neu bestimmt werden, gilt vor allem als Abstimmung über die drängenden sozialen und wirtschaftlichen Probleme in dem südamerikanischen Land. Die rechtsgerichtete oppositionelle Allianz für Chile hofft auf einen Wahlsieg gegenüber dem Mitte-Links-Bündnis Concertacion, das Chile seit dem Ende der Diktatur unter Pinochet im Jahr 1990 regiert.

Lagos war vergangenes Jahr mit dem ehrgeizigen Ziel angetreten, das Land aus tiefer Rezession und Rekordarbeitslosigkeit zu holen. Kurzfristig wollte er 200.000 neue Jobs schaffen und das Wirtschaftswachstum auf sechs Prozent schrauben. Nach einem Jahr standen im März stattdessen zusätzliche 100.000 Menschen auf der Straße. Nach einem Gesetzesentwurf zur Stärkung Arbeitnehmer kam es im November zu Massenentlassungen. Zwar steht Chile mit einer Wachstumsprognose von drei Prozent angesichts weltweiter Rezessionssignale vergleichsweise immer noch recht gut da, doch die Wähler wollen keine vagen Zukunftsausichten, sondern harte Fakten sehen. Und die versprechen die Konservativen. "Sie versprachen Arbeit und Fortschritt und brachten Hunger", schimpft denn auch die Opposition im Unterhaus. Dort verfügt Lagos' Mitte-Links-Allianz zwar bisher über eine komfortable Mehrheit von 69 der 120 Sitze; im Oberhaus mit zahlreichen Pinochet-treuen Senatoren reicht die hauchdünne Mehrheit jedoch nicht aus, um Reformen mit ausreichender Unterstützung zu verabschieden. Doch damit hat sich Lagos, scheint es, schon abgefunden. Wenn die Concertacion nur einen hauchdünnen Vorsprung schaffe, fühle er sich schon als Gewinner, machte der Präsident sich und seinen Anhängern Mut.