Zum Hauptinhalt springen

In den USA wächst Angst vor neuen Terrorattacken

Von Deborah Pasmantier und Daniel Jahn

Politik

New York/Washington - Seit den Terroranschlägen vom 11. September leben die Menschen in den USA mit der Angst: Angst, dass die Terroristen erneut zuschlagen könnten. Seit Sonntag ist die Sorge noch gewachsen. Die Nachricht vom Beginn der Luftangriffe auf Afghanistan löste an diesem strahlend sonnigen Herbsttag in Washington und New York zwar keine offene Unruhe aus - vieles erscheint fast normal.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 23 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Touristen schlendern durch das Zentrum vom Washington und posieren für Fotos vor dem Weißen Haus. Vor dem New Yorker Empire State Building - seit dem Anschlag auf das World Trade Center wieder das höchste Gebäude der Stadt - stehen die Besucher Schlange, und die Straßencafés im Szeneviertel Soho sind voll. Doch in vielen Köpfen sitzt die Furcht, dass die Militärangriffe in Afghanistan neue Terrorattacken nach sich ziehen werden.

"Ja, ich habe Angst", sagt Jason Forrest, der vor vier Wochen von seiner Wohnung in Brooklyn aus die Türme des World Trade Centers einstürzen sah. Irgendwo werde wieder etwas passieren, ist sich der 29-jährige Künstler sicher. Auch Jeff Wine, ein 30-jähriger Arbeitsloser, der am Union Square im Herzen Manhattans unterwegs ist, sagt: "Ich erwarte das Unerwartete. Das ist ständig in meinem Kopf. Ich bin unruhig, lasse mir davon aber nicht meinen Alltag diktieren."

Ein Mann, der mit Fotoapparat vor dem Weißen Haus steht, befürchtet den "Dominoeffekt" ständig eskalierender Gewalt. Der Kampf gegen den Terrorismus sei wie ein "Vietnam-Krieg ohne Grenzen", sagt der 48-Jährige, der einen Job bei der Regierung hat und seinen Namen lieber nicht nennen will.

Präsident George W. Bush hat in seiner Fernsehansprache versucht, beruhigend auf seine Landsleute einzuwirken. "Ich weiß, viele Amerikaner spüren heute Angst", sagt er und hebt zugleich die starken Sicherheitsvorkehrungen hervor. "Rund um die Welt und rund die Uhr" werde zum Schutz der Bürger gearbeitet.

In New York kündigt Bürgermeister Rudolph Giuliani kurz nach Beginn der Operation in Afghanistan die Verschärfung der Sicherheitsmaßnahmen an. Doch auch der mutmaßliche Terroristenführer Osama bin Laden erscheint auf den Bildschirmen, um neue wüste Drohungen gegen die USA auszustoßen. Amerika werde keine Sicherheit finden, solange die Palästinenser keine Sicherheit fänden - Worte, die neue Furcht einflößen sollen.

Doch nicht alle Menschen in den USA lassen sich von solchen Drohungen beeindrucken. "Du darfst dich nicht erschrecken lassen. Du musst es von dir fernhalten", sagt eine 21-jährige Politologiestudentin aus Kalifornien, die erst vor kurzem nach Washington gezogen ist. "Ich habe mit den Männern von der Nationalgarde gesprochen, die Vereinigten Staaten sind sicher", glaubt auch die 31-jährige Monique Bueno, die nahe den immer noch rauchenden Ruinen des World Trade Center entlangläuft. In einem Flughafen oder im Flieger würde sie sich derzeit aber nicht sicher fühlen, gibt sie zu.