Wie stark verliert die SPÖ, wie stark gewinnt die FPÖ?
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Linz. In Richtung Zieleinlauf kommt noch einmal Aufregung in den Wahlkampf zur Linzer Gemeinderatswahl am 27. September. Grund dafür war die Linzer Ausgabe des Finanzskandals, der Swap-Deal zwischen Stadt Linz und Bawag, um den es davor im Wahlkampf erstaunlich ruhig blieb. Eine Detailfrage im Disziplinarverfahren gegen den ehemaligen Linzer Finanzdirektor nutzte die Opposition, um den Swap vor der Wahl doch noch einmal zu thematisieren.
Die ÖVP warf der regierenden SPÖ bei der Veröffentlichung eines Disziplinaraktes Verzögerung vor und zeigte Bürgermeister Klaus Luger vergangene Woche bei der Gemeindeaufsicht des Landes an. Von der ÖVP hieß es, "die Sache stinkt", die SPÖ warf der ÖVP "unerträgliche Präpotenz" vor. So weit, so Wahlkampf.
Bei einer Straßenbefragung der "Wiener Zeitung" in Linz spielt der Finanzskandal, in dem die Stadt und die Bawag am Wiener Handelsgericht nach wie vor um etwa eine halbe Milliarde Euro streiten, aber praktisch keine Rolle. Da dominieren zeitlose Wahlkampfthemen: teures Wohnen, zu wenige Parkplätze und die Mülltrennung.
Mehr als ein Fünftel der Linzer leben in den Arbeiterbezirken
Zwar gilt Linz sowohl bei den Gemeinderatswahlen als auch bei den gleichzeitig stattfindenden Landtagswahlen als heißes Pflaster, für die Wähler sind aber Alltagsthemen entscheidend. Gerade im Kampf um Platz zwei im Landtag zwischen SPÖ und FPÖ gilt Linz seit langem als mitentscheidend. Im Gemeinderat steht die SPÖ in Linz vor einem ähnlichen Problem wie die ÖVP im Landtag, es gilt, die Verluste und das Abrutschen unter die 40-Prozent-Marke in Grenzen zu halten.
Diese Fragen werden sich ganz besonders auch in den Linzer Arbeiterbezirken wie dem Franckviertel, Kleinmünchen-Auwiesen und Neue Heimat entscheiden. Dort lebt in Summe mehr als ein Fünftel der Linzer, dort kamen SPÖ und FPÖ bei der letzten Gemeinderatswahl 2009 gemeinsam knapp an die oder über 70 Prozent. Bei der Nationalratswahl lagen die beiden Parteien zusammen in allen drei Stadtteilen über 70 Prozent.
In allen drei Bezirken waren die Umwälzungen bei der vergangenen Gemeinderatswahl besonders stark. Die SPÖ verlor überall mehr als 15 Prozent, die FPÖ holte in allen drei Bezirken mehr als 10 Prozent dazu. Bei der letzten Landtagswahl waren die Umwälzungen in diesen Bezirken noch extremer. Stellvertretend für viele Wechselwähler steht wohl jener Pensionist, der bei der Befragung der "Wiener Zeitung" im Franckviertel gerade von seinem Nachmittagseinkauf kommt.
Seinen Namen will der Herr nicht in der Zeitung lesen, dafür gibt er über sein Wahlverhalten bereitwillig Auskunft. "Dunkelblau, die FPÖ", werde er auch diesmal wieder wählen. "Ich mache das rein aus Protest. Ich habe früher immer rot gewählt, aber die tun nichts mehr für die Arbeiter und Pensionisten", erklärt der Pensionist. Auch die Lebensmittel würden immer teurer und kosten mehr als in Deutschland, beschwert sich der Pensionist. Das Wort Ausländer fällt in dem Gespräch kein einziges Mal.
Dabei ist das Franckviertel mit 30,1 Prozent Ausländeranteil der Bezirk mit dem zweithöchsten Anteil an Ausländern mit nennenswerter Wohnbevölkerung in Linz. Auch Kleinmünchen-Auwiesen und Neue Heimat liegen über dem Linzer Durchschnitt von 19 Prozent Ausländern. Das Thema Ausländer sorgt für divergierende Meinungen.
"Mit den Ausländern bin ich zufrieden, die integrieren sich alle super", sagt Gerald Pöschel. Der Franckviertler weiß noch nicht, welche Partei er am kommenden Sonntag wählen wird. Er hat einen Wunsch, den ihm die Politik wohl nur schwer erfüllen kann. "Ich wäre einmal dafür, dass die Leute den Müll ordentlich trennen", sagt er. Dabei ist das Franckviertel ein sauberer Bezirk, ein von der Stadtpolitik vernachlässigtes Gebiet sieht anders aus.
Modernisierung im Glasscherbenviertel
Den Beinamen Glasscherbenviertel, den es dank einer ehemaligen Glasfabrik bekam, trägt das Viertel aber immer noch. Dabei wurde und wird in die GWG-Bauten der Gemeinnützigen Wohnungsgesellschaft der Stadt Linz investiert. Die Häuser des öffentlichen Wohnbaus stellen die klare Mehrheit der Gebäude im Bezirk. Viele Häuser haben nachträglich Balkone und Aufzüge bekommen, bei anderen Häusern wird die Aufwertung gerade vollzogen.
"Das ist schon praktisch", sagt Johannes Angerbauer. Der pensionierte Eisenbahner, der mittlerweile im Seniorenheim im Franckviertel lebt, erlebte den Bezirk noch in jener Zeit, aus der sein heutiger Beiname stammt, und vor allem Eisenbahner und Arbeiter der Voest und der Chemiewerke hier wohnten. Das hat sich geändert, Grund für Sentimentalität sieht Angerbauer aber keinen: "Es passt alles, ich bin zufrieden." Er hat seine Stimme via Briefwahl bereits abgegeben.
Doch derart gelassen ist die Stimmung nicht überall. Davon weiß eine Trafikangestellte zu berichten, die ebenfalls nicht namentlich in der Zeitung stehen will. Gerade in der Flüchtlingsfrage sei die Stimmung im Viertel nicht sehr freundlich. "Ich stelle mich aber kämpferisch dagegen", sagt sie.
Allerdings ärgert auch sie der Umgang der Verantwortlichen mit dem Thema. "Die Politiker haben gewusst, was da kommen wird. Wenn sie gut vorbereitet gewesen wären, wäre die Hetze jetzt nicht so groß", glaubt sie. Deshalb weiß die Angestellte auch noch nicht, was sie wählen wird. Mit einer Einschränkung: "Zu 100 Prozent wird es nicht blau."
Doch das Unbehagen kam nicht erst mit den Flüchtlingen. "Das Zusammenleben ist nicht immer ganz einfach, es interessiert sich niemand mehr für den anderen", sagt Bettina Schabl. Sie arbeitet im Franckviertel, wohnt aber im Süden von Linz in Ebelsberg, ebenfalls einem Bezirk mit überdurchschnittlich hohem SPÖ- und FPÖ-Wähleranteil.
Sie berichtet von zwei österreichischen und vier nicht-österreichischen Familien in ihrem Haus. "Das Deutsch ist oft so katastrophal, dass man sich nicht einmal unterhalten könnte", sagt sie. Schabl wird "natürlich" wählen gehen und hat auch ihre erwachsenen Kinder dazu motiviert. Was sie wählen wird, behält sie für sich, nur so viel sagt Schabl: "Vor acht Jahren hat es bei mir gewechselt, seither wähle ich immer das Gleiche." Glaubt man den Umfragen, werden auch diesmal wieder viele Wähler die Partei wechseln. SPÖ und ÖVP werden Verluste vorhergesagt, der FPÖ Gewinne. Das lange Zeit erwartete Duell um Platz zwei im Landtag ist laut Meinungsforschern gar keines mehr. Die FPÖ liegt in den jüngsten Umfragen bei knapp 30 Prozent oder darüber, die SPÖ bei knapp 20 Prozent.
Am Freitag wollen beide Parteien in Linz ihr Wahlkampffinale begehen. Die SPÖ hat die Bühne für ihre Abschlussveranstaltung am Linzer Hauptplatz dem Bündnis "Linz gegen rechts" für die Kundgebung "Lichter der Menschlichkeit" zur Verfügung gestellt. Die FPÖ feiert nach dem offiziellen Wahlkampfabschluss in Urfahr in einer Linzer Diskothek ihre "blaue Nacht" mit H.C. Strache.