Die derzeit kaum noch leistbare Zwiebel ist das Rückgrat der indischen Küche. | Sichtlich nervöse Regierung beschließt ein Exportverbot. | Neu Delhi. Zwiebeln sind weit mehr als ein ordinäres Gemüse in Indien, kaum ein Gericht in der lokalen Küche kommt ohne ihren pikanten Geschmack aus. Die Knollenfrucht steht daher sogar im Ruf, ganze Regierungen zu Fall bringen zu können - ganz besonders dann, wenn die Zwiebelpreise plötzlich sprunghaft ansteigen.
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Denn die Zwiebel ist das billigste Gemüse auf dem Markt. "Wer ein Stück Brot und eine Zwiebel hat, der kann nicht verhungern", lautet ein indisches Sprichwort. Schon deshalb gilt der Preis als ein Politikum. Der Wahlverlust der Bharatiya Janata-Partei 1998 im Bundesstaat Neu Delhi wird weitgehend dem Anstieg der Zwiebelpreise um mehrere hundert Prozent angelastet. Auch die politische Rückkehr der eisernen Lady Indira Gandhi im Jahr 1980 wird auf ihre Brandreden gegen teure Zwiebeln zurückgeführt.
Und so ist es daher auch wenig verwunderlich, dass die indische Regierung angesichts der derzeitigen Preisexplosion auf rund 70 Rupien (1,20 Euro) pro Kilo sichtlich nervös reagiert. Denn vor dem Ausbruch der aktuellen Zwiebelkrise, die vor allem niederschlagsbedingten Ernteausfällen geschuldet ist, konnten die Inder ein Kilo noch für 15 bis 20 Rupien kaufen. "Die Situation wird sich in zwei bis drei Wochen normalisieren", verspricht Landwirtschaftsminister Sharad Pawar, der sich derzeit intensiv darum bemüht, die aufgebrachten Gemüter zu besänftigen. Und Verbraucherschutzminister Rajiv Agrawal versichert, dass die Regierung "die Zwiebelpreissituation beinahe stündlich" kontrolliere. Als erste Notmaßnahme hat Indien bereits ein Ausfuhrverbot für Zwiebeln erlassen, das den Preisanstieg dämpfen soll. Indien exportiert im Normalfall Zwiebeln in den Mittleren Osten, aber auch nach Pakistan.
In einem ungewöhnlichen Schritt hat sich nun sogar das verfeindete Nachbarland bereiterklärt, seinerseits die Krise in Indien zu lindern. In entsprechend großer Aufmachung berichtete die indische Zeitung "The Hindu" von 13 Lastern, beladen mit zwischen 5 bis 15 Tonnen Zwiebeln, "die aus Pakistan angekommen sind". Diese Form der Zwiebeldiplomatie kommt überraschend, denn politisch herrscht zwischen den beiden Erzfeinden gerade eher Eiszeit.
Zwiebelgerichte sind rar
Daneben werden auch andere Auswege aus der Krise gesucht. Die Ministerin des Bundesstaates Neu Delhi, Sheila Dikshit, hat ein hochkarätiges Treffen einberufen, zu dem auch der Finanzminister Indiens, Pranab Mukherjee, geladen war.
Der hohe Zwiebelpreis hat nicht nur Auswirkungen auf die Haushaltskasse der indischen Familien, sondern betrifft auch das Restaurantgewerbe. Traditionell werden in den Gasthäusern und Imbissen vor dem Essen rohe Zwiebelringe mit Kreuzkümmel gereicht. "Mit Kosten von über 60 Rupien pro Kilo haben wir keine andere Chance, als den Kunden die Extra-Zwiebeln in Rechnung zu stellen", sagt Narayan Alwa, der Chef einer Vereinigung von 8000 Restaurants. Der indische TV-Sender NDTV berichtete sogar, dass manche Wirtshäuser stark zwiebellastige Gerichte von der Karte genommen hätten. Dieser Trend sei besonders in Chennai spürbar, denn in der südindischen Küche sei die Knolle der Star vieler Gerichte.
"Chennai ist komplett abhängig von der Zwiebeleinfuhr und ist daher härter betroffen als die meisten anderen Orte in Indien", berichtete NDTV in seinem Report. Bereits jetzt seien Rava Dosa, ein Pfannkuchen aus Linsenmehl, und Zwiebel-Uthappam, eine Art gezwiebeltes Omelette, Mangelware in der Stadt.
"Die Zwiebel geht alle Inder etwas an, vom armen Mann bis zur städtischen Mittellklasse", sagt der Parlamentarier Chandan Mitra von der Oppositionspartei BJP. "Wenn der Preis nicht im Zaum gehalten wird, dann kann das für die Regierung Ärger bringen."