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"Ich weiß, dass Monopole nicht sexy sind." | Automatenspiele immer beliebter. | "Poker ist ein Glücks-, kein Geschicklichkeitsspiel." | "Wiener Zeitung":Haben Sie am vergangenen Sonntag Lotto gespielt?
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Karl Stoss: Ich habe einen Zehn-Wochen-Dauerschein, spiele aber keine bestimmten Zahlen, sondern lasse diese per Quicktipp wählen.
Also haben Sie keine Glückszahlen?
Habe ich schon. Zum Beispiel die 26. Weil ich an einem 26. Geburtstag habe und weil sich 26 aus zweimal 13 zusammensetzt.
Haben Sie schon einmal Roulette gespielt?
Ganz früher, in Studentenzeiten, war ich vielleicht zwei- oder dreimal im Jahr in Bregenz oder in Seefeld im Kasino, habe aber nur mit ganz kleinen Einsätzen gespielt. Mehr als 300 oder 500 Schilling hatte ich nicht mit. Ich habe mir im Kasino einen vergnüglichen Abend gemacht.
Als Bankdirektor sind Sie nicht mehr ins Kasino gegangen?
Da hatte ich keine Zeit mehr dafür.
Man könnte auch die Vermutung haben, dass Sie meinten, es sei dem Image eines Bankdirektors nicht zuträglich, im Kasino gesehen zu werden.
Das kann schon sein. Früher gab es in Dienstverträgen von Bankmitarbeitern ja sogar Klauseln, die es den Mitarbeitern untersagten, Spielkasinos zu besuchen. Heute gibt es das allerdings nicht mehr.
Gibt es andere Berufsgruppen, bei denen Sie das Gefühl haben, es wäre dem Ruf nicht zuträglich, in einem Spielkasino gesehen zu werden?
Eigentlich nicht. Man kann ein Kasino ja auch einfach besuchen und muss nicht aktiv spielen.
Also, Sie würden nichts dabei finden, wenn ein Pfarrer ins Kasino geht?
Ich glaube nicht, dass Sie viele Vertreter dieser Berufsgruppe in Kasinos antreffen werden, aber das muss jeder Mensch mit sich selbst ausmachen, ob er diese Art des Vergnügens wahrnimmt oder nicht.
Als Student, haben Sie da im Kasino unter dem Strich gewonnen oder verloren?
Das dürfte sich die Waage gehalten haben.
Beim Lotto werden Sie vermutlich nicht ganz pari aussteigen?
Vermutlich nicht.
Dass Lottospieler auf die Dauer mehr zahlen als gewinnen, ist schließlich das Geschäftsprinzip einer Lotterie.
Von den zwei Milliarden Euro an Einsätzen, die über alle Spiele hinweg im Jahr bei den Österreichischen Lotterien getätigt werden, zahlen wir 1,5 Milliarden in Form von Gewinnen wieder aus. Es ist also nicht so, dass alle nur einzahlen. Einigen Menschen verhelfen wir zu unverhofftem Reichtum. Fälle wie jener Vorarlberger, der dieses Jahr 29 Millionen Euro gewonnen hat, sind zwar zugegebenermaßen sehr selten. Aber Gewinne von einigen Hunderttausend bis zu einer Million Euro gibt es regelmäßig.
Aber in Summe bezahlen die Lottospieler mehr als sie gewinnen.
Das ist richtig. Aber der eigentliche Gewinner ist dabei der Finanzminister.
Die Gesellschafter der Österreichischen Lotterien und die Aktionäre der Casinos Austria gehören aber ebenfalls zu den Gewinnern.
Und natürlich auch viele soziale, humanitäre, kulturelle und sportliche Institutionen und Veranstaltungen, die wir unterstützen. Es ist ja beispielsweise gesetzlich festgeschrieben, dass drei Prozent des Umsatzes in die österreichische Sportförderung fließen müssen.
Das Geschäftsmodell von Glücksspielunternehmen besteht allerdings darin, Gewinnquoten so festzulegen, dass unter dem Strich immer das Unternehmen gewinnt.
Das Geschäftsmodell ist nicht danach ausgelegt, dass möglichst viele verlieren und möglichst niemand gewinnt. Das wäre vollkommen falsch.
Die ganz große Mehrheit der Lottospieler wird aber wohl nie einen Sechser tippen und daher auf Dauer Geld zahlen, ohne dafür eine Gegenleistung zu bekommen. Ist das nicht ein seltsames Geschäft?
Nein, überhaupt nicht. Es gewinnen im Lotto ja auch viele mit Dreiern, Vierern und Fünfern. Außerdem bekommen die Lottospieler auch eine indirekte Gegenleistung, indem wir hohe Steuern bezahlen. Und die Lottospieler profitieren, indem sie bis zur nächsten Ziehung in der Hoffnung auf das große Glück leben können. Manche suchen ihr Glück eben so und manche anders.
Also ist Ihr Geschäftsmodell der Verkauf von Träumen, die in ihrer großen Mehrheit nie Realität werden.
Ob sie Realität werden oder nicht, ist dem Zufall überlassen.
Aber in der Mehrheit gehen diese Träume nicht Erfüllung.
In der Mehrheit nicht. Aber es gibt immer einen Prozentsatz, der etwas gewinnt. Das ist die Hoffnung dieser Menschen, die mit relativ bescheidenen Beiträgen versuchen, sich Glück zu erkaufen.
Ein schlechtes Gewissen haben Sie dabei nicht?
Nein, überhaupt nicht. Wir haben ein Geschäftsmodell, das sehr vielen Menschen die Möglichkeit gibt, an diesem Traum der Erreichung des Glücks zu partizipieren. Außerdem stellen wir eine nicht unwesentliche Einnahmequelle für ungefähr 6000 bis 7000 Trafikanten dar. Aber letztlich müssen wir natürlich Gewinne erwirtschaften. Das gilt aber für jede Branche, das muss auch der Herausgeber einer Zeitung.
Eine Zeitung bietet ihren Lesern allerdings Informationen und somit einen Nutzen. Ein solcher ist für die Mehrheit der Lottospieler hingegen nicht ersichtlich.
Was denken Sie, warum Menschen ein Los kaufen? Weil sie eine Dienstleistung, nämlich die Hoffnung auf Glück, erwerben.
Warum müssen Lotterien oder Kasinos in diesem Land als Monopol geführt werden?
Diese Frage müssen Sie dem Finanzminister stellen.
Aber Sie befürworten es, dass die Lotterien und die Casinos Austria keine Mitbewerber haben?Wir sind ein privatwirtschaftlich geführtes Unternehmen und haben private Eigentümer. Das Lotteriemonopol haben nicht wir, sondern das ist ein Monopol der Republik Österreich, die gegen eine Gebühr eine Konzession mit beschränkter Laufzeit vergibt. Die Republik Österreich ist, wie viele andere Länder auch, der Ansicht, dass Glücksspiel ein höchst sensibler Bereich ist, der auch seine Gefahren aufweist und daher in einem klar definierten ordnungs- und sicherheitspolitischen Rahmen stattfinden sollte, für den das Monopol die beste Form der Durchführung ist.
Und sollte sich die Ansicht ändern ...
Sollte sich diese Ansicht irgendwann ändern, dann werden wir uns den neuen Rahmenbedingungen stellen. Und obwohl ich weiß, dass Monopole nicht sexy sind, zweifelt auch die EU-Kommission diese Form der Organisation von Glückspiel überhaupt nicht an. Ein kontrolliertes Monopol ist meiner Ansicht nach die beste Methode, um Spielsucht hintan zu halten. Das ist eine Krankheit, die sehr, sehr schlimm enden kann - mit dem Verspielen von Haus und Hof, familiären Tragödien und persönlichem Ruin. Eine andere Möglichkeit wäre das gänzliche Verbot von Glückspiel, was ich persönlich für kaum praktikabel halte.
Wenn es eine zweite Lottogesellschaft gäbe, die ihre Spiele ein wenig anders gestaltet, oder wenn es in Österreich zwei, drei zusätzliche Kasinos gäbe, die von einem anderen Unternehmen betrieben werden, würde das doch nicht gleich zu einer Spielsucht-Epidemie führen.
Ich glaube schon, dass zusätzlicher Wettbewerb gewisse Effekte hat. Man macht mehr Werbung, möglicherweise sogar aggressive Werbung. Damit das nicht geschieht, hat die Republik Österreich diese Einschränkung vorgenommen. Ob das bei der nächsten Ausschreibung, wenn unsere Konzession im Jahr 2012 ausläuft, weiter so sein wird, das weiß ich nicht.
Verdienen Sie mit den Kasinos in Österreich Geld?
Wir haben jetzt die letzten zwei Jahre eine gewisse Durststrecke hinter uns . . .
Durststrecke heißt Verlust?
Ja, aber nicht aus dem operativen Spielergebnis. Wir haben zuletzt wieder kräftig investiert, allein 30 Millionen Euro sind in die Neugestaltung der Casinos Velden, Linz, Baden und Innsbruck geflossen.
Und es wurden bereits vor meiner Zeit Mitarbeitern freiwillige Abfertigungen angeboten, wenn sie das Unternehmen verlassen. Dieses Angebot haben etwa 400 Mitarbeiter in Anspruch genommen. Das alles hat das Ergebnis natürlich belastet.
Dieser Mitarbeiterabbau wurde allerdings eingeleitet, weil die Erträge schon zuvor nicht ausreichend waren.
In den vergangenen Jahren hat sich das Spielverhalten unserer Gäste geändert. Die Tendenz geht eher weg vom Lebendspiel wie Roulette und Black Jack und verlagert sich stärker zum Automatenspiel, wo naturgemäß weniger Personal benötigt wird.
Man könnte das aber auch als Paradebeispiel für die Ineffizienz von Monopolen betrachten, dass es einem Monopolunternehmen gelingt, sogar mit Kasinos Defizite zu machen.
Wir haben gerade im Kasinogeschäft einen unglaublich intensiven Wettbewerb. Es gibt das sogenannte kleine Glücksspiel mit Automaten außerhalb der Kasinos, es gibt das Internet, und es gibt Kartenkasinos.
Ist der Betrieb von Kartenkasinos in Österreich legal?
Die Betreiber glauben es. Wir sind der Ansicht, dass es von der Art der Spiele abhängt, die angeboten werden. Wenn dort Pokerturniere für karitative oder soziale Zwecke veranstaltet werden, dann das ist legal. Wenn dort Turniere im Bauernschnapsen veranstaltet werden, ist das auch legal, weil Schnapsen kein Glücks-, sondern ein Geschicklichkeitsspiel ist.
Ist Poker ein Glücks- oder ein Geschicklichkeitsspiel?
Poker ist ein Glücksspiel. Dazu gibt es auch ein Höchstgerichtsurteil aus dem Jahr 2005.
Viele Experten sind da anderer Ansicht.
Ich halte mich an das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs.
Zur Person: Karl Stoss wurde 1956 in Vorarlberg geboren und studierte Betriebswirtschaft in Innsbruck. Nach dem Studium arbeitete er kurz für die Vorarlberger Versicherung und wurde dann Unternehmensberater am Managementzentrum St. Gallen.
1997 wurde er zum Stellvertretenden Vorstandsvorsitzenden der Postsparkasse berufen, für die er schon zuvor als Konsulent tätig gewesen war. Von 2001 bis 2004 fungierte Stoss als Vorstandsmitglied der Raiffeisen Zentralbank, wechselte dann zur österreichischen Holdinggesellschaft der Generali Versicherung, wo er 2005 den Vorstandsvorsitz übernahm. Anfang vergangenen Jahres wurde Stoss zum Generaldirektor der Casinos Austria AG bestellt. Seine wichtigste Entscheidung seither war der Kauf des bis dahin von der Bawag gehaltenen 36-prozentigen Gesellschaftsanteiles an den Österreichischen Lotterien für kolportierte 334 Millionen Euro. Die Casinos Austria halten an den Lotterien mit 68 Prozent nun eine deutliche Mehrheit.