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In der Mitte liegt Deutschlands politische Kraft

Politik

Der neue CDU-Vorsitzende Armin Laschet ist Merkelianer. Das macht es für SPD und Grüne nicht leichter, sich von der Union abzugrenzen. Allerdings muss Laschet vor den vielen Wahlen im heurigen Jahr noch die Union einen.


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Aus dem Ministerposten wird einmal nichts für Friedrich Merz. Kaum war der Frontmann der Konservativen in der Stichwahl um den CDU-Parteivorsitz Armin Laschet unterlegen, schlug sich Merz schon selbst als künftiger Wirtschaftsminister vor. Doch selbst von seinen Anhängern bekam er dafür Kritik zu hören: "Jetzt ist nicht die Zeit für Pöstchen", zitierte am Montag die "Süddeutsche Zeitung" Susanne Eisenmann, Kultusministerin von Baden-Württemberg, wo sich der Landesverband beim Kampf um den Parteivorsitz klar hinter Merz gestellt hatte.

Der frühere Europaparlamentarier und Ex-Vorsitzende der Bundestagsfraktion unterlag am Wochenende bei einer digitalen Stichwahl unter den Delegierten mit 53 zu 47 Prozent dem Ministerpräsidenten von Nordrhein-Westfalen Laschet knapp aber doch. Und nach der Niederlage schoss sich Merz gleich ein Eigentor. Denn sein Vorstoß war eine grobe Grätsche gegen Laschet und auch gegen Angela Merkel, die Merz in langjähriger Gegnerschaft verbunden ist. Merz musste nämlich wissen, dass Merkel ihn nicht in ihrem Kabinett und Laschet keinen Streit mit der Kanzlerin haben will. Der 65-Jährige ignorierte somit die Aufrufe - und derer gab es nicht wenige -, dass die CDU wieder eine Einheit sein müsse.

Laschet ließ zwar mit der Rückendeckung von Merkel seinen Kontrahenten vorerst abprallen, doch er wird einen Umgang mit Merz finden müssen. Denn künftig gehe es schon auch darum, "dass man Friedrich Merz und seine Wirtschaftskompetenz einbindet", betonte Eisenmann, die im März bei der Wahl in Baden-Württemberg als Spitzenkandidatin für die CDU antritt.

Merz personifiziert wie kein Zweiter eine Sehnsucht, die sich in der CDU breitgemacht hat. "Für seine Anhänger bedeutet Konservatismus: gute alte (Vor-Merkel-)Zeit plus Digitalisierung", schreibt die "Frankfurter Allgemeine Zeitung". Laschet aber befürwortet den Kurs von Merkel, die mit dem Atomausstieg oder der liberalen Flüchtlingspolitik auf veränderte gesellschaftliche Stimmungen reagiert hat. "Wir werden nur gewinnen, wenn wir in der Mitte der Gesellschaft stark bleiben", betonte er bei seiner Parteitagsrede, bei der er - wie die anderen Kandidaten - nicht vor Publikum, sondern vor Kameras sprechen musste.

Mit der Ernennung von Gesundheitsminister von Jens Spahn als seinen Vize hat er schon einen Schritt in Richtung Konservative macht. Doch ob und wie er inhaltlich den Konservativen, bei denen viele über die Merkelsche Energie- und Flüchtlingspolitik murren, entgegenkommen will, bleibt offen.

SPD und Grüne sticheln bereits gegen Laschet

Dabei braucht die CDU gerade in diesem Wahljahr Geschlossenheit. Denn auch in Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt werden die Landesparlamente bald neu bestimmt am 26. September folgt als Höhepunkt die Bundestagswahl, und auch danach gibt es Landtagswahlen.

Vor allem für die SPD und die Grünen wäre dabei Merz der bessere Reibebaum gewesen, hätten sie in diesem Falle doch vor einer nach rechts rückenden CDU warnen können. Eine weitere Zuspitzung hätte das alte Match zwischen CDU und SPD noch dadurch erfahren, wenn die beiden SPD-Vorsitzenden, die prononciert linken Saskia Eskens und Norbert Walter-Borjans, tatsächlich so viel Gewicht hätten, wie es ihrer Position eigentlich entspricht.

Doch diese haben zumindest in den Umfragen die darbende SPD nicht vom Fleck gebracht. SPD-Kanzlerkandidat ist mit Finanzminister Olaf Scholz ein altgedienter Politiker, der Verlässlichkeit und Kontinuität repräsentiert. Und bei den Grünen stehen mit Annalena Baerbock und Robert Habeck zwei Realos an der Spitze. Somit herrscht Gedränge in der Mitte, und das macht für alle Seiten die Abgrenzungen schwieriger.

Aber nicht, dass diese nicht trotzdem versucht würden. Die Grünen verwiesen sogleich darauf, dass der Bergarbeitersohn Laschet vor überzogenen Klimaschutzzielen gewarnt hatte. Die CDU habe nun einen Vorsitzenden, "der mit Klimaschutz wenig anfangen kann", twitterte Bundesgeschäftsführer Michael Kellner. Auch Laschet bezeichnete die Grünen sogleich als "Hauptgegner".

Er regiert in Nordrhein-Westfalen mit der FDP, die seinen Sieg begrüßte. Dort hat Laschet auch bewiesen, dass er wahlkämpfen kann. Er hatte sich beim Votum 2017 im bevölkerungsreichsten Bundesland überraschend gegen die damalige SPD-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft durchgesetzt und eine der größten Hoffnungsträgerinnen der Sozialdemokraten entzaubert. Trotzdem verkündete die SPD, dass ihr Kanzlerkandidat Scholz niemanden fürchten müsse.

Noch offen, wer für Union Kanzlerkandidat wird

Aber vielleicht steht bei der Bundestagswahl ein anderer Unions-Politiker in vorderster Reihe. Auch Bayerns Ministerpräsident Markus Söder, der in Umfragen vor Laschet liegt, wird als Kanzlerkandidat gehandelt. Bayern gilt in Deutschland noch immer als Epizentrum des Konservatismus, weshalb Grüne und SPD zu ihm eine Abgrenzung leichter fallen könnte. Aber auch Söder, der die Klimapolitik für sich entdeckt hat, ist in die Mitte gerückt. Dort liegt in Deutschland derzeit, scheint es, die politische Kraft. (klh)