Zum Hauptinhalt springen

In der Nanowelt ist alles anders

Von Roland Knauer

Wissen
Physik der kleinsten Teilchen: Slawomir Skruszewicz erforscht das Verhalten der Nano-Partikel. Foto: Universität Rostock

Nanoteilchen aus Silber lassen keinen Strom fließen, sondern sie isolieren. | Partikel verlassen die Oberfläche. | Rostock. Slawomir Skru szewicz hat immer weniger Zeit zum Üben auf der Klarinette. Der polnische Physiker in der Arbeitsgruppe "Cluster und Nanostrukturen" der Universität Rostock beobachtet stattdessen mit einem selbst entwickelten "Abbildenden Elektronen-Spektrometer", wie ein Laser Elektronen aus winzigen Nanoteilchen herauskatapultiert.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 14 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Dabei war alles anders geplant: "Ich habe Musik in Stettin studiert und übte jeden Tag drei oder vier Stunden", erzählt er. Statt die restlichen Stunden des Tages mit Freizeit zu füllen, suchte der junge Mann ein anspruchsvolles Hobby und hängte ein Studium der Physik an. Die Masterarbeit führte ihn nach Rostock in die Nanophysik-Arbeitsgruppe von Karl-Heinz Meiwes-Broer. Nun steckt Slawomir, wie ihn jeder in der Gruppe nennt, in seiner Promotion.

Teil aus fünf Atomen

Den Grund für Slawomirs Begeisterung für die Naturwissenschaft verrät Karl-Heinz Meiwes-Broer: "Wir arbeiten mit Nanoteilchen, die aus fünf, 20 oder ein paar Hundert Atomen bestehen. In ihnen gilt eine andere, neue Physik."

Nanopartikel sind heute in den verschiedensten Alltagsprodukten enthalten - vom kratzfreien Autolack bis hin zu Silber-Nano-Teilchen in Socken, die dort bakterizid wirken, damit die Socken weniger stinken. Da kaum bekannt ist, wie sich diese kleinsten Teilchen auf die Haut, die Gesundheit und die Umwelt auswirken, wollen Physiker die Eigenschaften der Nano-Teichen genau verstehen.

Zwar gelten weiterhin die Naturgesetze. Aber sie stoßen so schnell an ihre Grenzen, dass die Gesetze der Quantenmechanik wichtiger werden als bei größeren Teilchen.

Ein silberner Löffel etwa besteht aus Silber-Atomen, die positiv elektrisch geladen sind. Zwischen diesen Ionen flitzen exakt so viele Elektronen herum, dass ihre negative elektrische Ladung die positive Ladung der Silber-Ionen ausgleicht. Innerhalb des Silberlöffels können sich die Elektronen frei bewegen. Legt man elektrischen Strom an beide Enden des Löffels an, tragen sie den Strom im Silber weiter.

Die Gesetze der klassischen Physik geben aber den Löffel ab, wenn es um ein viel kleineres Nanoteilchen Silber geht. Bauen etwa 64 Silber-Atome einen Nanowürfel auf, dessen Kanten aus je vier Silberatomen bestehen, stoßen die an sich frei beweglichen Elektronen spätestens nach vier Atomen an ihre Grenzen und hören auf, sich zu bewegen. "Solche Silber-Cluster sind keine elektrischen Leiter, sondern bestenfalls Halbleiter oder sogar Isolatoren", erklärt Meiwes-Broer.

Auch andere Eigenschaften solcher Metall-Winzlinge ändern sich. So benötigen Elektronen äußerst viel Energie, um die Oberfläche eines Silberlöffels verlassen zu können. Da ein Nanoteilchen aber im Verhältnis sehr viel mehr Oberfläche hat, klappt das leichter.

"Coulomb-Explosion"

Genau diesen Vorgang untersucht Slawomir Skruszewicz mit seinem Femtosekunden-Laser, der die nötige Energie für das Herausschlagen der Elektronen liefert. Es gilt ein ähnliches Gesetz wie im Alltag: Derjenige bringt mehr Leistung, der die gleiche Arbeit in kürzerer Zeit leistet. Der Femtosekunden-Laser gibt Lichtblitze ab, die gerade einmal den tausendsten Teil des Millionstel Teils einer Millionstel Sekunde lang sind. "Diese extrem kurzen Lichtimpulse haben extrem hohe Leistungen von ein paar Milliarden Watt pro Quadratzentimeter", erklärt Meiwes-Broer.

Mit solchen extremen Leistungen schafft der Laser es, alle Elektronen eines winzigen Metallclusters so stark in Bewegung zu setzen, dass sie im Nanoteilchen hin und her schwappen, ähnlich wie Wasser in einem schnell bewegten Glas. So heftig können die Elektronen sich im Cluster hin und her bewegen, dass manchmal etliche gleichzeitig die Oberfläche überwinden und ins Freie schießen.

Das aber stürzt das Nanoteilchen selbst ins Chaos, weil ihm jetzt etliche Elektronen fehlen, die mit ihrer negativen Ladung die positive Ladung der Atomkerne neutralisieren und so wie ein Kitt die Metallatome zusammenhalten. Wenn dieser "Leim" fehlt, stoßen die positiven Ladungen der Atome sich plötzlich ab. "Es kann zu einer Coulomb-Explosion kommen", so Skru szewicz. Dabei fliegt das Cluster in einzelne Atome auseinander, die verschieden hohe positive elektrische Ladungen tragen.

Winzige Nanofußbälle

Zunächst aber untersucht der Physiker, mit welcher Energie und in welche Richtung Elektronen aus dem Cluster herausfliegen. Genau dafür hat er sein "Abbildendes Elektronen-Spektrometer" entwickelt. Zunächst feuert er die Laser-Pulse auf sogenannte Fullerene - winzige Nanofußbälle, von denen jeder aus genau 60 Kohlenstoff-Atomen besteht. Und weil in diesen Fullerenen ähnlich wie in einem Metallcluster sich Elektronen frei bewegen, herrschen dort ganz ähnliche Verhältnisse.

Es gibt aber auch einen Unterschied zu den Clustern. "Weil Fullerene sehr symmetrisch gebaut sind, lässt sich das Verhalten der Elektronen in ihnen viel einfacher berechnen", sagt Skruszewicz. Dadurch können auch die Forscher besser verstehen, wie die extrem kurzen Laserpulse Elektronen aus den Fullerenen herausschlagen und wie die neue Physik in den Nanoteilchen funktioniert. Eine Aufgabe, die den Physiker begeistert.