Zum Hauptinhalt springen

"In der Not steh’n Sozis z’samm"

Von Katharina Schmidt

Politik

Stimmung zwischen Zweckoptimismus, Wut und Politikverdrossenheit.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 12 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Spittal/Drau.

Das Mobiliar hat schon bessere Tage gesehen. Die braunen Kästen an den Wänden sind abgeschlagen, der wuchtige Besprechungstisch in der Mitte wirkt viel zu groß für den kleinen Raum. Doch die Einrichtung der Parteizentrale ist momentan wohl das geringste Problem für die Spittaler SPÖ. Knapp zwei Wochen ist es her, dass sie ihren Obmann, Bürgermeister Gerhard Köfer, an die Neugründung von Frank Stronach verloren hat.

Zwei Wochen, in denen Sara Schaar mit maximal drei Stunden Schlaf pro Nacht ausgekommen ist. Die Bezirksgeschäftsführerin versucht seit Köfers Abgang zu retten, was zu retten ist. Brieflich hat sie alle Parteigenossen über die neue Situation informiert, sie organisiert Infoveranstaltungen und Sonderklubsitzungen. Den interimistischen Parteichef und designierten Vizebürgermeister Christian Klammer hat Schaar zwischenzeitlich in Kurzurlaub geschickt. Zum Kräftesammeln für den Parteitag Ende September, wenn sich die Spittaler SPÖ neu aufstellen will.

Denn neben Köfer haben die Sozialdemokraten auch fünf von 14 Gemeinderäten an den Magna-Gründer verloren. Schaar gibt sich zweckoptimistisch: "Ich mache mir keine Sorgen, dass wir zu wenige gute Leute hätten", sagt sie. Bei der Infoveranstaltung gleich nach Köfers Austritt seien 100 Menschen mehr gekommen als geplant - "in der Not halten die Sozis z’samm", sagt Schaar. Unter den Sympathisanten seien auch viele gewesen, die sich bereits von der SPÖ abgewendet hatten. Denn klar ist: Köfer war innerhalb der Partei umstritten.

Nationalratsabgeordneter, Bürgermeister, Energetiker

Das sagen selbst die, die es gut mit ihm meinen. Etwa Adolf Oberhuber. "Wir waren fast wie Vater und Sohn, natürlich war ich überrascht und sehr, sehr traurig", sagt der 73-jährige Obmann des örtlichen Pensionistenverbandes. Aber dennoch könne er Köfer "deswegen nicht verschmähen". Einer Meinung mit Stronach ist der Pensionist jedenfalls, wenn es um Köfers Künste als Energetiker geht: Sein Nervenleiden habe er durch Handauflegen gemildert.

Es ist nicht nur diese Tätigkeit, die den 51-Jährigen auch bei den eigenen Leuten schon vor seinem Parteiaustritt in Misskredit gebracht hat. Über seinen energetischen Aktivitäten und seinem Nationalratsmandat habe er seine ureigenste Aufgaben als Bürgermeister vernachlässigt. Für die Nationalratswahl 2013 wäre er ohnehin nicht mehr auf die Liste gekommen. Denn laut Beschluss der Landes-SPÖ dürfen Bürgermeister einer mehr als 10.000 Einwohner zählenden Gemeinde kein weiteres Mandat annehmen. Köfer habe aber nicht auf die 8000 Euro brutto monatliches Gehalt als Nationalratsabgeordneter verzichten wollen, heißt es.

"Bin nicht der Papst, der aus der Kirche ausgetreten ist"

Er selbst freilich bestreitet gegenüber der "Wiener Zeitung", dass er wegen des Geldes gewechselt sei. Köfer spricht gar von einer neuerlichen Annäherung mit der SPÖ. Was seine Tätigkeit in Spittal betrifft, so befindet der Bürgermeister: "Ich bin ja nicht der Papst, der aus der Kirche ausgetreten ist. Das Leben in Spittal geht ganz normal weiter."

Und tatsächlich scheinen das viele Spittaler ähnlich zu sehen. "Wenn der Köfer als Bürgermeister kandidiert, würde ich ihn immer wählen," meint etwa Johann Kindler. "Alles funktioniert in der Gemeinde, man kann gut mit ihm reden, er ist nicht abgehoben, was andere in der Gemeinde sehr wohl waren," sagt der Pensionist.

Auch Willi Koch, selbst jahrelang ÖVP-Stadtrat, will nichts über den alten Freund kommen lassen. "Er hat viel Bewegung in die Stadt gebracht", meint der Fleischermeister. Und: "Köfer ist immer für Überraschungen gut." Ein paar Häuser weiter sitzt ein Paar in der Sonne vor einem Café. Auch diese beiden zeigen sich erfreut darüber, dass es eine neue Partei geben wir. Immerhin hätten sie "nie die SPÖ gewählt, sondern immer Köfer als Person".

Eine Verkäuferin sieht das anders. Sie versteht den Frust all jener SPÖ-Funktionäre, die für Köfer im Wahlkampf gelaufen sind. Er habe auch einige Malversationen mitzuverantworten, etwa, dass sich die Zentrale eines großen Lebensmittelhändlers nicht in Spittal angesiedelt hat, auch mit der Infrastruktur habe es Probleme gegeben. "Mit den Politikern haben wirs zur Zeit sowieso nicht leicht in Kärnten", sagt eine andere. Noch drastischer drückt es ein Kaffeehausgast aus. Er hält Politiker gar für "die Mafia". Auch er würde aber Köfer wählen, aus Sympathie. "Und Stronach ist zumindest in der Lage, einen großen Betrieb zu leiten. Die Politiker können nicht einmal einen Krämerladen führen", sagt er.

Von Motten und Lebensmenschen

Großen Frust in der Bevölkerung ortet auch Herbert Haupt. Der ehemalige Sozialminister ist Vizebürgermeister für die FPK in Spittal. Bei der Oberstaatsanwaltschaft Graz lägen derzeit mehrere Anzeigen gegen Köfer. Falls es zu einer Anklageerhebung kommen sollte, plädiert Haupt für Neuwahlen noch vor dem regulären Termin 2015. Köfers Wechsel sieht Haupt in Stronachs finanziellen Mitteln begründet: "Es ist immer so, dass zum Licht die Motten kommen", sagt er. Angst um Stimmen hat er dennoch keine. Auch Franz Eder von der ÖVP-nahen Bürgerliste SVP fürchtet sich - zumindest auf Gemeindeebene - nicht vor Stimmenverlusten. "Da hat halt wieder jemand seinen Lebensmenschen gefunden", ätzt er über Köfers Wechsel.