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In der Slowakei sind die Tiger los

Von WZ-Korrespondentin Karin Bachmann

Europaarchiv

Neureiche hegen eine Vorliebe für exotische Haustiere. | Gleichzeitig gibt es ein großes Projekt zur Arterhaltung. | Pressburg. Außer dem auch in Österreich üblichen Hausrat gehört in der Slowakei angeblich zweierlei zu einem ordentlichen Haushalt: ein Bonsai und eine Schildkröte. Nach Angaben der Messegesellschaft Agrokomplex schmückt jeder Zweite der insgesamt rund 5,5 Millionen Einwohner des Nachbarlandes die eigenen vier Wände mit einem Mini-Bäumchen. Ähnlich dicht soll die Schildkröten-Population sein, wobei fast jedes Panzer-Tier auf den Namen "Sofia" hört. Sehr beliebt sind auch Schlangen. Selbst unbefangenen Touristen entgeht die Vorliebe der Slowaken für besondere Flora und Fauna nicht. Schließlich findet sich auch an jedem noch so schmalen Bächlein stets ein Angler, der nicht selten auf der Jagd nach einem andernorts als teure Delikatesse gehandelten Fisch wie etwa dem Huchen ist.


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Es ist also nicht verwunderlich, wenn es gerade auch unter den Reichen im Lande als schick gilt, die Hausgemeinschaft um exotische Mitglieder zu vergrößern, wobei der Drang zum Exklusiven häufig bedenkliche Blüten treibt, weil Erwägungen zum Artenschutz nur zu oft keinerlei Rolle spielen.

Der Tiger im Keller

Mitte Mai versetzte beispielsweise ein streunender Tiger die Einwohner von Pressburg in Angst und Schrecken. Der Eigentümer des Raubtieres blieb unauffindbar, die Polizei geht aber davon aus, dass der Tiger illegal gehalten wurde. Das ist offenbar kein Einzelfall, wie durch die Furcht einflößenden Erlebnisse eines Dolmetschers belegt wird, der einmal mit einer Kollegin in das Haus eines "nouveau riche" bestellt wurde, wo er sich zunächst nur über dumpfe Laute "von irgendwo her aus der Tiefe" wunderte. "Dann wurde ich stutzig und fragte mich, wo meine Begleiterin in der Zwischenzeit abgeblieben sein könnte", erinnert sich der junge Mann. Er fand sie schließlich nach längerer Suche im Keller des Hauses vor dem engen Gitterkäfig eines Tigers, der offenbar nur noch mit Medikamenten einigermaßen ruhiggestellt werden konnte. Das Sonnenlicht hatte das bedauernswerte Tier offenbar schon lange nicht mehr erblickt.

Doch gerade, was Tiger angeht, gibt es auch ein vorbildliches Projekt in der Westslowakei, bei dem nicht zuletzt vor allem Kinder schon früh ein Bewusstsein dafür entwickeln sollen, dass viele Tiere und Pflanzen auf dem Planeten gefährdet sind. Seit 1999 existiert südlich von Pressburg die "Oase des sibirischen Tigers", die von der Stiftung "Amur-Tiger Pressburg" geschaffen wurde. Inzwischen leben in der drei Kilometer vom Dorf Kostolná pri Dunaji entfernten Station 20 sibirische Tiger und ein kleiner Löwe.

Der sibirische Tiger, der an sich aus der Taiga im Grenzgebiet zwischen Russland und China stammt, gilt als vom Aussterben bedroht. 16 der in der Oase lebenden Tiger wurden in der Slowakei geboren, das ist ein wichtiger Beitrag zum Erhalt dieser Art, die wegen des Schrumpfens der Taiga in freier Wildbahn kaum noch vorkommt. Das einen halben Hektar große Areal ist nur durch Palisaden aus natürlichen Materialien begrenzt. Im Sommer können sich die Tiger, die nachmittags an Wochenenden und während der Schulferien bewundert werden können, Abkühlung in einem Wasserbecken verschaffen.