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In der SPÖ regt sich erster Unmut Zu Unrecht: Das ist der Preis des Sieges

Von Walter Hämmerle

Analysen

Die große Koalition ist noch nicht besiegelt - und schon tauchen die ersten öffentlichen Leistungsbeurteilungen der Verhandler auf. Vor allem in der SPÖ regt sich Unmut über das sich abzeichnende Verhandlungsergebnis: Steuerreform auf 2010 verschoben, die Grundsicherung zur Mindestsicherung verkommen, Gesamtschule und verpflichtendes Vorschuljahr abgesagt. Und das Schlimmste: Selbst in ihren beiden zentralen Wahlversprechen - völlige Abschaffung der Studiengebühren und Stopp des Eurofighter-Kaufs - dürfte sich die SPÖ nicht ganz durchsetzen.


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Nun mag die Enttäuschung mancher SPÖ-Anhänger ja emotional durchaus verständlich sein, sachlich gerechtfertigt ist sie nicht unbedingt. Das hat viel mit der Ausgangsposition der beiden Parteien in den Verhandlungen zu tun.

Der Sieg der SPÖ kam für die Partei mindestens so überraschend wie für den Rest der Republik. Im Wahlkampf kämpfte Alfred Gusenbauer mit dem Rücken zur Wand um sein politisches Überleben und jede Stimme - und dementsprechend geizte er nicht mit politischen Versprechungen für den Tag danach. Wer konnte auch damit rechnen, dass die SPÖ in die Lage kommen könnte, diese auch umzusetzen.

Genau spiegelverkehrt die Situation der Volkspartei: Umfragen - und auch die Partei selbst - sahen sie als sicheren Sieger. Entsprechend hütete sich die ÖVP vor vollmundigen Versprechungen, schließlich rechnete Wolfgang Schüssel fix damit, an deren Umsetzung gemessen zu werden.

Hinzu kommt die normative Kraft des Faktischen. Gott sei Dank gilt diese mittlerweile auch für die Politik - zumindest weitgehend. Auch Österreichs gewählte Volksvertreter sind - zumindest gilt das für diejenigen an der Spitze der beiden Großparteien - nicht länger bereit, die Grundregeln wirtschaftspolitischer Vernunft über Bord zu werfen. In dieser Hinsicht kann das Verdienst der ansonsten viel geschmähten Europäischen Union - Stichwort Maastrichter Stabilitätskriterien - gar nicht hoch genug angesetzt werden.

Übersetzt heißt das nichts anderes, als dass über allem politisch Wünschbaren das Fallbeil des budgetpolitisch Möglichen schwebt. Wenn die Akzeptanz dieser Grundregel der Politik als Niederlage angesehen wird, wird es schwierig.

Noch ein Wort zum "Meister-Verhandler", wie Wolfgang Schüssel nun wieder allerorts apostrophiert wird. Es war alles andere als meisterlich, wie sich die ÖVP in den ersten Wochen nach der Wahl mit ihrem vorübergehenden Aufstehen vom Verhandlungstisch positionierte. Das hat schließlich auch Schüssel selbst eingesehen und seinen Kurs korrigiert. Mit der Konzentration auf Rot-Schwarz ist die ÖVP automatisch in die bessere Verhandlungsposition gerutscht - weil es immer leichter ist, Bestehendes zu verteidigen, als Neues durchzusetzen. Und last, but not least: 17 Jahre Regierungserfahrung, wie sie Schüssel aufweist, spielen eben auch eine Rolle.