Sogar im Neuwahlpoker ließ sich die SPÖ überholen. Ihr Führungsdilemma hat sie selbst verursacht - es ist so groß, dass die Probleme für eine ganze Legislatur periode reichen.
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Die SPÖ hat sich mit Werner Faymann ein fatales Kronprinzenproblem eingehandelt. Und wenn das SPÖ-Präsidium gestern sagte "Jetzt erst recht", dann bekommt die Partei erst recht ein Problem. Wie ist Faymann eigentlich zustande gekommen? Durch Bundeskanzler Alfred Gusenbauer? Durch "Krone"-Chef Hans Dichand? Durch Michael Häupl?
Selbst wenn alle drei die Fäden gezogen haben - nur wenige sind an der Kronprinzenselektion beteiligt gewesen. Es waren einsame männliche Beschlüsse. Anders wäre es auch gar nicht gegangen. Hätten die einsamen Männer die erweiterte Parteispitze informiert, dann hätte vielleicht jemand blöde Fragen gestellt.
Zum Beispiel, wann oder wo ein Wiener Rathauskarrierist pur einen Test bestanden hat, der belegt, dass er auch in den übrigen Bundesländern präsentierbar ist und ankommt. Aber nicht einmal diese Quotenfrage ist offenbar in einer Partei überlegt worden, die ihre Politik schon beängstigend auf die Quotenfrage reduziert.
Also hat sie Faymann, jetzt auch als Kanzlerkandidat. Von dem, was man seit seiner überfallsartigen Bestellung zum Doppelgänger Gusenbauers gesehen hat, wirkt er fast wie das Auslaufmodell einer Politik, die durch die harte Wirklichkeit überholt wird. So wirken viele andere Politiker in allen österreichischen Parlamentsparteien auch, aber sie stehen nicht an der Spitze einer Regierungspartei und verkörpern nicht deren Grundsatzlosigkeit.
Was haben Kleinstaatspolitiker noch zu vermelden, wenn die Inflation schon besorgniserregend hoch ist, der Erdölpreis bald dauerhaft über 150 Dollar steigen soll, die Klimakatastrophe schon am Himmel hängt und die Sozialkosten unbezahlbar zu werden drohen? Mit der Methode herkömmlicher Andienerei von Sozialgeschenken kommt man nicht mehr weit.
Modell Faymann: Er stoppt als Verkehrsminister die Fahrpreiserhöhung der ÖBB. Das ist für sich gesehen nicht schlimm, vielleicht hätte er sogar eine Preissenkung verkünden sollen. Aber das eine wie das andere erfolgt so, wie man es in den Wahlkampfschulen der Parteien der Fünfzigerjahre (damals war Faymann noch nicht auf der Welt) gelernt hat.
Bevor heute ein Politiker die Einnahmeerwartung der ÖBB um 15 Millionen kürzt, müsste man von ihm ein Konzept erwarten, das die Bundesbahn aus dem horrenden Defizit und den chronischen Negativberichten des Rechnungshofes heraus in eine akzeptable betriebswirtschaftliche Zukunft führt.
Wenn er dieses Konzept präsentiert, kann er auch den Nulltarif im öffentlichen Verkehr einführen.
Faymann wurde Gusenbauer als Paladin und Leibwächter in Doppelfunktion an die Seite gestellt. Es spricht alles dafür, dass es in einer solchen Konstellation auch die Möglichkeit gibt, dass sich beide in synchronisierter Form bis September noch mehr ruinieren. Der "Kronenzeitung"-
Coup, auf den sich Gusenbauer entweder blind oder wider besseres Gewissen einschwören ließ, reichte für sich schon. Die SPÖ kommt davon nicht mehr weg, ein Bundeskanzler Faymann schon gar nicht. "Ferrero-Waldner: Rücktritt fällig" verkündete die "Krone" am Montag in fetten Balken. Ist der Aufmacher mit der SPÖ abgesprochen oder vielleicht sogar von ihr lanciert, steht sie dazu? Oder wenn nicht, was tut sie dagegen?
Das Volk, dem Gusenbauer näher kommen will, ist seit dem 27. Juni, an dem der denkwürdige Brief Gusenbauers und Faymanns in der "Krone" erschien, auf Humbug dressiert und kann nicht genug davon bekommen.