Beim Milchpreis kündigt sich eine Trendumkehr an, die Markteingriffe kommen aber zu spät.
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Mondsee. Die Einkommen der Bauern sind weiter auf Sinkflug. Dieses Ergebnis war bei der Präsentation des grünen Berichts angesichts des seit 30 Monaten sinkenden Milchpreises keine große Überraschung und gibt den Forderungen nach Marktinterventionen Auftrieb.
Allerdings ist die Freude über die aktuellen Markteingriffe bei Milchwirtschaft und Bauern nicht überschwänglich. "Wir hätten die Interventionen früher gebraucht", sagte Helmut Petschar, Präsident der österreichischen Milchverarbeiter und Direktor der Kärntnermilch, bei der milchwirtschaftlichen Tagung vergangene Woche. Dort zeigte sich, dass die Ursachen für den schwankenden Milchpreis vielschichtig sind und sich mit Hilfspaketen und Transferzahlungen nicht beheben lassen.
Aktuell wird das zweite 500 Millionen Euro schwere Hilfspaket der EU für die Milchbauern umgesetzt, die Milchmenge am Weltmarkt geht aber bereits zurück, und beim Preis führt das bereits zu einer Trendumkehr. Das zweite EU-Milchpaket ist erst im Juli beschlossen worden - für viele zu spät. "Wenn man sechs bis acht Monate für einen Beschluss braucht, hat sich der Markt bereits wieder verändert", erklärte Petschar.
Die Milchleistungpro Kuh nahm zu
Von den 500 Millionen Euro gehen 150 Millionen Euro an Bauern, die ihre Produktion drosseln, den Rest bekamen die EU-Staaten zur Verteilung. Die Förderung der Produktionsdrosselung ist vor allem für Bauern attraktiv, die ans Zusperren denken und ihre Produktion ohnehin zurückfahren wollen. Die Hauptleidtragenden des niedrigen Milchpreises, Bauernhöfe, die investiert und Kredite zurückzuzahlen haben, gehen über diese Schiene leer aus. Damit wird der laufende Strukturwandel weiter beschleunigt. In Österreich nahm die Zahl der Milchlieferanten von 2014 auf 2015 um 3,4 Prozent auf 30.848 Betriebe ab. Der Bestand an Milchkühen nahm insgesamt und auch pro Betrieb dagegen ebenso zu wie die Milchleistung pro Kuh.
Die EU greift aber auch an anderen Stellen in den Markt ein. Seit Sommer 2014 trägt die EU-Kommission die Kosten für die Einlagerung von Magermilchpulver. Diese Hilfe wurde Ende August bis kommenden Februar verlängert, damit soll die Milchmenge verknappt und der Preis stabilisiert werden. Außerdem sind aktuell Mengenabsprachen zwischen Bauern und Molkereien erlaubt, auch diese Ausnahme wurde um ein halbes Jahr verlängert.
Dabei ist die EU-Kommission ihrerseits mitschuldig am Preisverfall. Mit dem Auslaufen der Mengenquoten für Milchbauern im April 2015 wollte die Kommission mehr Markt in die Milchwirtschaft bringen, nun interveniert sie erst recht. Allerdings kam das Quotenende zu einem ungünstigen Zeitpunkt. "Das Ende der Quote war nicht alleine schuld am Preisverfall. Ein ganzes Bündel an Ereignissen hat dazu geführt. Alles was am Milchmarkt negativ laufen konnte, ist negativ gelaufen", erklärte die Milchmarktexpertin Monika Wohlfahrt von der "Zentralen Milchmarkt Berichterstattung" bei der milchwirtschaftlichen Tagung.
Österreicher kaufenweniger Milch
So kam es vor dem Quotenende weltweit zu Investitionen in die Milchproduktion und zu einer höheren Produktion. Geringere Nachfrage nach Milchpulver aus China und der russische Importstopp infolge der EU-Sanktionen beschleunigten den Preisverfall. Dazu führte der niedrige Ölpreis zu einem Kaufkraftverlust der ölexportierenden Länder, die rund ein Drittel des Welthandels aufkaufen. Im ersten Halbjahr 2016 ging die Nachfrage aus China zwar wieder nach oben, sie liegt allerdings noch deutlich unter dem Rekordniveau von 2014.
Weltweit erwarten Experten langfristig steigende Nachfrage nach Milch. Das ist für Österreichs Milchwirtschaft mit einer Exportquote von 50,1 Prozent im Jahr 2015 eine gute Nachricht. In Österreich sieht es mit der Nachfrage freilich anders aus. Die Österreicher kaufen immer weniger Milch ein. Der Rückgang ist laut Agrarmarketing Austria (AMA) konstant und spürbar - von 2011 bis 2015 um mehr als zehn Prozent.
AMA-Marktforscherin Micaela Schantl führt das neben der längeren Haltbarkeit der Milch auf die geänderten gesellschaftlichen Rahmenbedingungen zurück, etwa kleinere Haushalte und verstärkter Konsum außer Haus. Tatsächlich geht der Milchabsatz im Gastronomiegroßhandel nach oben, allerdings auf geringerem Niveau. "Die nächsten Wochen und Monate werden schwierig werden", lautete das Resümee von Petschar.