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In der Warteschleife

Von WZ-Korrespondentin Barbara Backhausen

Politik

Bis das endgültige Auszählungsergebnis der australischen Parlamentswahlen vorliegt, könnte es noch Tage dauern. Dass Premier Malcolm Turnbull der große Verlierer ist, steht allerdings jetzt schon fest.


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Canberra. (ce) Für Malcolm Turnbull könnte das Zittern noch lange dauern: Der konservative Premierminister, der erst im September seinen Parteikollegen Tony Abbott nach einer Parteirevolte gestürzt hatte, hat sich bei der Wahl in Australien am Samstag nicht mit einer klaren Mehrheit durchsetzen können. Die Stimmenverteilung ist sogar so knapp, dass es wahrscheinlich auch noch ein paar Tage dauern wird, bis das endgültige Auszählungsergebnis vorliegt.

Laut den Hochrechnungen der Wahlbehörde kann die liberal-nationale Koalition unter Turnbull mit zumindest 67 Sitzen im Repräsentantenhaus rechnen, während die sozialdemokratische Labor Partei unter dem einstigen Gewerkschaftsführer Bill Shorten deutlich zulegt und nun auf 71 Sitze kommt. Einen dieser Sitze im Süden Sydneys wird Linda Burney halten, die damit als erste Aborigine-Frau ins australische Parlament einzieht. Fünf Sitze werden an unabhängige Abgeordnete und kleinere Parteien gehen, darunter die Grüne Partei. Weitere sieben Sitze waren bis zuletzt noch nicht entschieden, hier zeigt die Auszählung ein Kopf-an-Kopf-Rennen.

Kein Bezug zum kleinen Mann?

Obwohl sich Turnbull während seiner Rede an die Parteimitglieder optimistisch zeigte, letztendlich wieder die Regierung bilden zu können, ist jetzt schon klar, dass die Wahl eine "Ohrfeige" für seine Koalition ist, nachdem sie die Wahl vor drei Jahren haushoch gewonnen hatten. Dass die Sozialdemokraten, die damals noch heillos zerstritten waren, sowie die kleineren Parteien so kräftig zulegen konnten, spiegelt die Unzufriedenheit großer Teile der Bevölkerung wider. Turnbull (61) war im vergangenen September nach einer internen Parteiabstimmung an die Macht gekommen. Damals löste er Tony Abbott ab, der die Sympathie des Volkes mit diversen Peinlichkeiten verspielt hatte. Allerdings hat der erzkonservative Abbott seinen Wahlkreis haushoch gewonnen und manche Ultrarechten feiern bereits seine Rückkehr, nachdem ein konservativer Kommentator den Rücktritt Turnbulls forderte.

Turnbull hat eine beeindruckende Laufbahn hinter sich. Nach einem Jus-Studium in Sydney und Oxford arbeitete er als Journalist, Rechtsanwalt und Investmentbanker. Er leitete die Investmentbank Goldman Sachs in Australien und wurde zum Self-Made-Multimillionär, bevor er in die Politik ging. Auch seine Frau Lucy ist eine erfolgreiche Geschäftsfrau, die einst als erste Bürgermeisterin die Geschicke Sydneys steuerte. Die Villa der Familie direkt am Hafen von Sydney gehört zu den teuersten Immobilien der Stadt. Seine Gegner werfen ihm deswegen gerne vor, den Bezug zum "kleinen Mann" verloren zu haben.

Doch auch der neue Labor-Chef Bill Shorten zeigte im diesjährigen Wahlkampf wenig Ecken und Kanten. Pochte Turnbull auf wirtschaftliche Stabilität, vor allem nach dem Brexit, und versprach, Unternehmenssteuern zu kürzen, versuchte der zwölf Jahre jüngere Shorten mit Themen wie Gesundheit und Bildung zu punkten. Propagierte Turnbull beim Thema Homo-Ehe eine Volksabstimmung, drängte Shorten auf eine parlamentarische Abstimmung. Die Themen Klimawandel und der schlechte Zustand des Great Barrier Reefs wurden dagegen hauptsächlich von der Grünen Partei bedient.

Kurzlebige Regierungen

Der derzeitige Wahlkrimi ist für das Land allerdings nichts Ungewöhnliches: Auch die Wahl 2010 endete ohne klare Mehrheitsverhältnisse. Australien hat inzwischen Jahre an politischem Auf und Ab hinter sich. So wurde der 2007 ins Amt berufene Kevin Rudd kurz vor Ende seiner Amtszeit von seiner Kollegin Julia Gillard vom Thron gestoßen. Im Gegenzug verdrängte Rudd Gillard 2013 auf gleiche Art und Weise. Die darauffolgende Wahl kostete der Labor Partei die Regierung und brachte Abbott an die Macht, der sich jedoch ebenfalls nur zwei Jahre im Amt halten konnte.