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In die Zukunft ohne Öl

Von Georg Friesenbichler

Wissen
Neben der bereits bestehenden Atomanlage (vorne) soll in Cardache nahe Marseille der Kernfusionsreaktor entstehen, wie auf der Modellzeichnung zu sehen ist . AP/CEN

Der Ölpreis klettert in die Höhe und ein Ende des Preisanstiegs ist nach Expertenmeinung nicht in Sicht. Wege aus der Abhängigkeit der Weltwirtschaft von diesem Rohstoff werden fieberhaft gesucht. Forscher hoffen auf die Kernfusion - eine Energiequelle, die allerdings erst in Jahrzehnten zur Verfügung stehen könnte.


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Ein wichtiger Schritt zur Verwirklichung des Traums von der günstigen, unerschöpflichen Energie aus der Verschmelzung von Atomkernen wurde gestern gesetzt: Der weltweit erste Kernfusionsreaktor wird für rund zehn Milliarden Euro in Frankreich gebaut. Vertreter der an dem Forschungsprojekt beteiligten Länder unterzeichneten am Dienstag in Moskau eine entsprechende Vereinbarung. Der für Forschung zuständige EU-Kommissar Janez Potocnik freute sich über den "großen Fortschritt bei der internationalen wissenschaftliche Zusammenarbeit", Frankreichs Staatspräsident Jacques Chirac feierte den "großen Erfolg für Frankreich und Europa". Tatsächlich hatte sich die EU im internen Wettstreit der Kooperationspartner um den Standort für den "Internationalen Thermonuklearen Experimentalreaktor" (ITER) gegen Japan durchgesetzt. Auch Russland, die USA, Südkorea und China sind an dem Projekt beteiligt, das, so die Hoffnung, für bis zu 100.000 neue Arbeitsplätze sorgen soll.

Vorerst müssen noch Details der Vereinbarung geklärt werden, damit der Bau möglichst rasch in Angriff genommen werden kann, erläuterte Potocnik. Die EU hofft, dass noch heuer der Baubeginn erfolgen kann.

Ölfass für 380 Dollar?

Die Zeit drängt. Analysten mehrer Großbanken glauben, dass der Ölpreis demnächst auf Marken jenseits der 70 Dollar pro Barrel Rohöl steigen könnte. Den Vogel schossen Experten der Investmentbank der französischen Sparkassen, Ixis CIB, ab: Ihre Fachleute fanden es "nicht unvernünftig", für 2015 einen Preis von 380 Dollar vorherzusehen - wobei sie zum Vergleich die Ölpreisschocks der 1970er Jahre heranzogen. Andere halten einen Preis für das 159-Liter-Fass von hundert Dollar für "nicht mehr so unwahrscheinlich". Diese Meinung vertritt auch das Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW). Der Chef der IfW-Abteilung für Umwelt- und Ressourcenökonomie, Gernot Klepper, nennt als Risikofaktoren mögliche Unruheherde wie Saudiarabien oder Russland. Von einem Ausweichen in die Atomkraft hält er allerdings wegen weiterhin unkalkulierbarer Risiken nichts.

Die Atomkraft erlebt allerdings trotzdem derzeit einen neuen Boom. Allein in Frankreich, wo auch der neue Kernfusionsreaktor entstehen soll, sind 58 AKW in Betrieb, nach den USA die meisten weltweit. Die Suche nach alternativen Energien - von Solarstrom bis zu Biomasse und Biogas - geht weiter. Denn selbst wenn die Kernfusion eines Tages als Energiequelle nutzbar sein sollte, wird bis dahin noch viel Benzin durch die Zapfhähne fließen. Der Reaktor wird frühestens 2015 fertig gestellt sein, bis die Kernfusion kommerziell nutzbar sein wird, werden weitere Jahrzehnte vergehen.