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Neben dem vielen Aufruhr um die neue Ausgabe von "Mein Kampf" dieser Tage ist die Debatte um ein anderes Buch ein wenig untergegangen. Denn nicht nur Hitler, sondern auch eines seiner berühmtesten Opfer, Anne Frank, ist 2015 vor 70 Jahren gestorben. Daher müsste nach landläufiger Einschätzung auch der Urheberschutz ihres Tagebuchs am
1. Jänner 2016 ausgelaufen sein. Dass das aber so einfach nicht ist, haben ein Wissenschafter und eine Abgeordnete aus Frankreich nun erfahren. Sie haben nämlich das Tagebuch im Internet frei zugänglich gemacht. Der Anne Frank Fonds, den Annes Vater Otto gegründet hat und der Alleinerbe der Autorenrechte ist, sieht das keineswegs so leger. Er argumentiert, dass es sich um eine posthume Veröffentlichung handelt, die noch 50 Jahre nach dem Erscheinen geschützt sein muss, und droht den Tagebuchpiraten mit rechtlichen Schritten. Der Uniprofessor sieht sich als "Befreier" des Buchs. Die Politikerin sieht das ähnlich, sie schreibt, es sei Zeit, Anne Frank "aus der Dunkelheit ans Licht" zu bringen.
Das klingt nach hehren Zielen und es handle sich natürlich um nicht-kommerzielle Absichten, beteuern beide. Aber es ist ja nicht so, dass das Tagebuch der Anne Frank bisher unter Verschluss gehalten wurde. Das Buch ist erhältlich wie jedes andere auch. Nur eben nicht gratis. Mit den Einnahmen aus dem Buch unterstützt der Anne Frank Fonds übrigens Projekte, die gegen Rassismus und Vorurteile kämpfen oder finanziert Medikamente für "Gerechte unter den Völkern" in Osteuropa. Es gibt eben Unterschiede zwischen nicht-kommerziell und nicht-kommerziell.